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Der Streit um den ästhetischen und moralischen Wert oder Unwert des „Schlagers”, dieser billigen Scheidemünze der heiteren Muse, ist recht unfruchtbar. Er entbrannte vermutlich schon in jener Zeit, in der die ersten Schusterbuben ihre Gassenhauer pfiffen, aber seither hat er weder der ernsten Musik mehr Popularität verschafft, noch auch das Niveau der Unterhaltungsmusik erhöht oder die Zahl ihrer Anhänger vermindert. Der Schlager ist eben einfach nicht auszurotten. Solange es Kinos und Radioapparate gibt, solange wird es Schlager geben. Und da sie nun einmal vielen Vergnügen bereiten, werden die Radiogesellschaften der Welt ihre Schlagerplatten laufen lassen, da sie- sich als kommerzielle Unternehmen, die sie nun einmal sind, nach den Wünschen des Publikums richten müssen, nicht anders wie Zeitung, Film und selbst das Theater.

Es wird ersprießlicher sein, anstatt dem Schlager im allgemeinen Kampf anzusagen, darauf zu achten, daß Auswüchse und krasse Geschmacklosigkeiten vermieden werden. In dieser Beziehung wird man der Ravag zubilligen, daß sie ihr Möglichstes tut. Selbstverständlich, wie es bei dem ungeheuerlichen Verbrauch von Unterhaltungsmusikstücken auch wohl nicht anders möglich ist, passieren hie und da geschmackverletzende Dinge, auf die man ebenso selbstverständlich aufmerksam machen muß. Im ganzen ist aber doch das Bestreben unverkennbar, den Gesetzen des guten Tons — im doppelten Sinne — Genüge zu leisten.

Nur wird man wohl verlangen müssen, daß die Grenzen zwischen Schlager und ernster Musik, zu der in diesem Fall wohl auch die klassischen Divertimenti zu zählen sind, reinlich gezogen werden. Solange der Schlager als solcher bezeichnet wird und in einem passenden Rahmen bleibt, ist er erträglich, und selbst der Weise wird nicht verschmähen, gelegentlich einer billigen, vergnüglich-flotten Melodie sein Ohr zu leihen. Peinlich wird es ihm aber sein, wenn ihm ein übereifriger Conferencier am Wochenende ein Schlagerrepertoire mit einem Aufwand von Superlativen, Epitheta und rhetorischen Evokationen kredenzt, der einer besseren Sache wert wäre. Die Kategorien müssen gewahrt bleiben.

Die Ravag bringt bisweilen Zusammenstellungen von alten, schon fast vergessenen Schlagern zu Gehör; solche Sendungen haben einen eigenen Reiz. Durch die Zeit wird das Grelle, das dem neuen Schlager anhaftet, gedämpft und seine Sentimentalität erscheint fast echt. Ein böser faux pas jedoch war es, als kürzlich zwischen dem übrigens noch gar nicht so alten „Mariandl” und „I bin halt a Weaner” — das „Ave Maria” von Schubert ertönte, das solcherart zum „alten Schlager” degradiert wurde. Ähnliches widerfuhr auch anderen Meisterstücken. So müßte etwa für Mozarts „Kleine Nachtmusik” schon eine Art Denkmalschutz geschaffen werden, um sie vor ähnlichen Situationen zu retten.

Es ist verständlich, daß die komplizierte Programmgestaltung des Rundfunks bisweilen zu störenden Vermischungen von Dingen führt, die miteinander nichts zu schaffen haben; doch müßte sich bei einiger Vorsicht das Ärgste vermeiden lassen. Nehmen wir zum Beispiel das „Gedicht des Tages”, das — ein schöner Gedanke — zur Mittagsstunde gelesen wird, zu welchem Zweck man das Unterhaltungskonzert jeweils für einige Minuten unterbricht. Das Gedicht möchte man nicht missen, andererseits aber ist die Folge leichter Melodien der Mittagspause in Betrieben und Büros sicherlich angemessen. Das Ergebnis ist aber nun, daß schwermütige Rilke- Verse von einem Chanson aus einer Nico- Dostal-Operette eingeleitet werden und in eine entsprechende Melodie wieder ausklingen; das wiederholt sich in ähnlicher Weise fast jeden Tag. Vielleicht ließen sich die allzu krassen Differenzen mildern, wenn man für geeignetere Übergänge sorgte.

Gerne hört man, obwohl sie von geschäftlichen Belangen nicht ganz frei sind, die Zehnminutensendungen am Donnerstagabend über „Neuestes von Literatur und Theater”, die in kurzen Schlagzeilen über Bühnen- und Buchnovitäten berichten; für jedermann, der in dieser Beziehung auf dem laufenden gehalten werden will, eine schätzbare Quelle kleiner Informationen. Letzteres ist auch zu den „Wissenschaftlichen Kurznachrichten” am selben Tag zu sagen. Derartige Sendungen möchte man gerne auch auf andere Gebiete erweitert sehen, sie auch etwas ausführlicher hören.

Überhaupt ist der Ravag für ihre periodischen Berichte über aktuelle wissenschaftliche oder kulturelle Ereignisse Lob zu zollen, wie für das „Premierenecho” oder die „Literarische Rundschau”; schade nur, daß die bildenden Künste hier zu selten einer Besprechung für wert erachtet werden, obwohl die lebhafte Ausstellungstätigkeit in Wien dazu Anlaß genug gäbe. Als Musterbeispiel für solche regelmäßige Berichterstattungen mag die Sendung „Himmelsereignisse” von Univ.-Prof. Thomas genannt werden, die nicht nur den Liebhaberastronomen in knapper und leicht

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