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Wie pluralistisch sind wir Katholiken?
Die besten Jahre sind vorbei
Pluralismus! Ein schönes Wort, ein gutes Wort. Und dennoch wird es ihm bald so gehen wie dem Wort Dialog. Zu Scheidemünzen sind sie geworden im Alltag, Wechselgeld auf den verschiedenen Märkten, wo die alten Waren Macht und Einfluß gehandelt werden.
Niemand, der die letzten Jahrzehnte wach durchlebt hat, wird leugnen, daß die österreichischen Katholiken heute im gesellschaftlichen und. politischen Leben differenziertere Standpunkte einnehmen als in der Zeit der „Blöcke“ und „Fronten“, welche die Erste Republik charakterisierten. Und dennoch: Manchmal beschleicht einen Be-
obachter der Szene die bange Frage, ob der österreichische Katholizismus seine besten Jahre nicht schon wieder hinter sich hat. Der österreichische Katholizismus zwischen 1945 und dem Konzil — Höhepunkt Katholikentag 1952 — war in vielen „johanneisch vor Johannes“. In jener präkonziliaren Zeit gab es hierzulande vielfach im katholischen Leben eine Libertät im besten Sinn des Wortes. In diesem Klima trat eine junge Generation — die Heimkehrer dös großen Krieges, die Überlebenden des Widerstandes gegen die fremde Diktatur — an und bekam Möglichkeiten, ihre Talente zu entfalten, Sie legte dadurch gegenüber Andersdenkenden Zeugnis ab für eine „freie Kirche in einer freien Gesellschaft“. Vom Pluralismus sprach damals noch niemand — aber er wurde im Alltag gar nicht selten praktiziert.
Seitdem haben wir das Konzil gehabt, und das Bekenntnis zum Pluralismus ist heute auf allen Zungen. Dennoch wage ich die Behauptung, daß vieles, was zum Beispiel vor 15 oder 20 Jahren in Österreich im katholischen Raum gesagt und geschrieben wurde, heute sofort niedergeknüppelt würde — und wird. Der Sauerstoff der Freiheit ist im Abnehmen. Zudem haben die „kleinen Bestien des Hasses, der Verleumdung, des Neides und der Mißgunst, der Herzenskälte und der Gleichgültigkeit“ (Kardinal König in seiner Rede an die Jugend) mächtig ihr Haupt erhoben und suchen, wen sie beißen können.
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