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Zwei Worte an Spectator

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Ich bin im zweiten Weltkrieg Frontoffizier gewesen und war viereinhalb Jahre in russischer Gefangenschaft. Sehr viele von uns waren recht jung, als sie begeistert in den Jahren vor und nach 1938 dem „Neuen“ nachliefen. Niemand konnte damals in die Zukunft sehen und erkennen, was sich später als schlecht erweisen sollte.

Sie können, wenn Sie es nicht selbst wissen, alte, absolut treue österreichische Offiziere fragen, ob diese Offiziere in ihrer Mehrzahl charakterlich und fachlich Ihre Beurteilung verdienen. Sie werden meistens das Gegenteil hören.

Diese Offiziere haben in der Mehrzahl, ohne politisch geschult zu sein, für die vermeintlich „gute Sache“ in diesem Krieg gekämpft und auch dann, als ihnen die Augen über die Folgen aufgingen, versucht, der Heimat das Schicksal von Ostpreußen usw. zu ersparen. Ein überwiegender Teil dieser Offiziere ist gefallen und teilt damit das Los der vielen namenlosen Opfer.

Ich persönlich habe eine erhebliche Zahl von Oesterreichern unter meinem Kommando gehabt und glaube kaum, daß sich ehrliche Untergebene finden werden, die mir mein Streben und Handeln, gerade zum Schutze meiner österreichischen Kameraden, gegen kopflosen Ausbildungszopf und irrsinnigen Einsatz absprechen können. Dies war weder gefahrlos noch sehr vorteilhaft, und so war ein erheblicher Teil von uns „Handlanger des Unrechtes“.

Zum Schluß noch eine kleine Gewissensfrage: In russischer Gefangenschaft gab es einige Offiziere, die sich eifrig im „Aktiv“ betätigten. Sie wissen sicher, was das bedeutet. Was würden Sie dazu sagen, Herr Spectator, wenn wir Ihnen beweisen, daß diese Richtung im neuen Heer absolut trägbar erscheint?

Eines haben wir und ich mit Ihnen gemeinsam: die Hoffnung, daß in der neuen Wehrmacht der „Zopf“ verschwindet und ein treuer, selbstbewußter, militärisch und sportlich geschulter Soldat erzogen wird.

Dies wünsche nicht zuletzt auch ich als alter Sportsmann.

Mit großer Freude las ich den vortrefflichen Artikel „General Zeit“ und das Bundesheer. Im Gegensatz zu * manchen Aeußerungen wildgewordener Kasernenhofdrill-Pädagogen und ungeduldiger Heldenmütter hat Spectator in seinen Ausführungen auf billige Phraseologie verzichtet — auf die Gefahr hin, von einem Teil der allzu Eilfertigen mißdeutet zu werden — und in verantwortungsbewußtem Ernst die Probleme aufgezeigt, die durch die Aufstellung eines Bundesheeres entstehen.

Solche Probleme können aber nicht dadurch aus der Welt geschafft werden, daß man sie übersieht oder überrennt, sondern nur durch sorgfältige Prüfung und Ueberlegung. Prüfen und überlegen müssen solche Probleme aber in erster Linie Menschen, deren Erfahrungen auf geistigem Gebiet liegen, Kenner der menschlichen Seele — und dann erst die Organisatoren und Uniformschneider.

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