Heldenplatz im Burgtheater - ©  Matthias Horn

Thomas Bernhards "Heldenplatz" am Burgtheater: Freundliche Buhs für einen Abend mit Tiefgang

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Mit seiner Inszenierung von Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“ bietet Regisseur Frank Castorf ein Theaterepos voller Pathos, Sentimentalität sowie absurder Ideen und liefert damit im Burgtheater neue Perspektiven und Denkanstöße.

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Mit seiner Inszenierung von Thomas Bernhards Stück „Heldenplatz“ bietet Regisseur Frank Castorf ein Theaterepos voller Pathos, Sentimentalität sowie absurder Ideen und liefert damit im Burgtheater neue Perspektiven und Denkanstöße.

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„Na, jetzt hammas durchgestanden!“ lautete der erleichterte Kommentar eines Theaterbesuchers am Ende der Vorstellung. Die hoffnungsfrohen Befürchtungen waren groß bei dieser Premiere. Schon im Vorfeld hatte Frank Castorf Erwartungen geschürt, von einer „Explosion“ gesprochen und mit einem Skandal-Battle zwischen ihm und Claus Peymann kokettiert. Die vorbestellten Buhrufe schreibt er sich gleich zu Beginn des Abends selbst ins Stück. Marcel Heuperman tritt als Alter Ego Castorfs lauthals buhend auf die Bühne und fordert vom Publikum angemessene Mitarbeit ein.

Da hatte es Peymann bei der Uraufführung leichter, die bekam er von Presse, Pöbel und Politik frei Haus geliefert. Sie alle machten aus Thomas Bernhards Auftragswerk zum „Bedenkjahr 1988“ diesen einen legendären Theaterskandal, der mit Stückzitaten wie „sechseinhalb Millionen Debile und Tobsüchtige“ oder „Jetzt ist alles noch viel schlimmer als vor fünfzig Jahren“ in die österreichische Geschichte einging. Für Heiner Müller, auf den Castorfs Arbeiten immer wieder verweisen, war diese Inszenierung das einzig Bemerkenswerte an Österreich.

Mix aus Liedern, Texten, Zitaten

Den Bühnenklassiker hat Regie-Altmeister Castorf dem Haus am Ring selbst vorgeschlagen. Nach Elfriede Jelineks „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen!“ und Peter Handkes „Zdeněk Adamec“ soll Bernhards „Heldenplatz“ seine „Österreich-Trilogie“ vervollständigen. Dass dabei kein stückgetreues Reenactment entstehen würde, war klar. Dass Castorf mit so viel assoziativer und politischer Kraft darangehen würde, begeistert und verwirrt gleichermaßen. Zwischen übergroßen Reklametafeln mit Fotos von Al Capone und den Beinen Marilyn Monroes sind auf der ausgeklügelten Drehbühnenkonstruktion von Aleksandar Denić ein U-Bahn-Abgang zur New Yorker Station „Borough Hall“ sowie zwei originalgetreue Plakate der von amerikanisch-deutschen Nazis organisierten „Mass Demonstration for the true Americanism“ (die am 22. Februar 1939 im Madison Square Garden stattfand) sowie das obligatorische Kabäuschen für die per Videowall übertragenen Esszimmerszenen der Familie Schuster untergebracht. Den Bühnenhintergrund füllt die Schwarz-Weiß-Fotografie einer NS-Massenkundgebung aus. Unterm Bühnenboden, ebenfalls per Livebildern zugespielt: ein kompletter U-Bahn-Waggon, an dessen Fenstern Landschaften vorbeiziehen.

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