Mein Kampf - © Foto: Marcella Ruiz Cruz

Ein burlesker Krampf

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Der israelische Schauspieler und Regisseur Itay Tiran, seit letzter Saison Burgtheater-Ensemblemitglied, inszeniert George Taboris „Mein Kampf“ 33 Jahre nach der Uraufführung neu.

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Der israelische Schauspieler und Regisseur Itay Tiran, seit letzter Saison Burgtheater-Ensemblemitglied, inszeniert George Taboris „Mein Kampf“ 33 Jahre nach der Uraufführung neu.

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Als George Tabori seine Farce „Mein Kampf“ im Akademietheater zur Uraufführung brachte, bedeutete das einen Triumph. Das Stück wurde von Theater heute auch gleich zum Stück des Jahres gekürt, was einige überraschte, andere verärgerte. Denn „Mein Kampf“ stellte auch eine Provokation dar, denn die Schrift, der der Titel entlehnt ist, die pseudoautobiografische Propaganda­Schrift Adolf Hitlers von 1925/26, stand in Österreich damals auf dem Index. Darüber hinaus traf Taboris „Theater gegen das Vergessen“ 1987 unvermittelt mit der Zeit der Waldheim-­Affäre zusammen. Die Vergangenheit des damals frisch gekürten Bundespräsidenten, dessen Kriegsteilnahme auf dem Balkan und die angeblichen Verstrickungen in nationalsozialistische Verbrechen sowie diverse Mitgliedschaften im NS­Parteienapparat, spaltete die Republik.

Obwohl die Vorwürfe gegen Waldheim nicht belegt werden konnten, hatten sie große Auswirkungen, warfen sie doch ein grelles Licht auf das Schweigen des Landes über seine Rolle in der NS-­Zeit und die ausgebliebene Entnazifizierung.In der Folge ließ sich das Narrativ vom „ersten Opfer Nazi­-Deutschlands“ nicht mehr länger aufrechterhalten. Nun setzt das Burgtheater 33 Jahre später das Stück in der Regie des Israeli Itay Tiran wieder auf den Spielplan. Der zeitgeschichtliche Kontext ist heute ein gänzlich anderer, womit ein Kalkül, mit dem Tabori und das Burgtheater unter Claus Peymann seinerzeit zumindest geliebäugelt haben dürften, nicht mehr gegeben ist: die Provokation, der Schock, den es bedeutete, die Auseinandersetzung mit dem Holocaust aus den akademischen Elfenbeintürmen auf diese Weise (als Farce und nicht in dokumentarischem Stil) in die Öffentlichkeit zu bringen.

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