Thomas Bernhard - © Foto: IMAGO / TT

Thomas Bernhard, von Frankreich aus

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Das Interesse an Thomas Bernhard ist auch in Frankreich groß. Erst las man ihn eher philosophisch, dann psychologisch und dann politisch: als einen der wenigen positiven Imageträger für Österreich, als Verkörperung des schlechten Gewissens seines Landes.

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Das Interesse an Thomas Bernhard ist auch in Frankreich groß. Erst las man ihn eher philosophisch, dann psychologisch und dann politisch: als einen der wenigen positiven Imageträger für Österreich, als Verkörperung des schlechten Gewissens seines Landes.

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Thomas Bernhard gehört in Frankreich sicherlich zu den bekanntesten Schriftstellern der österreichischen Gegenwartsliteratur. Bereits bei Erscheinen von „Frost“ in Deutschland liest man 1963 in Le Monde: „Der Tag wird kommen, an dem Thomas Bernhard genauso berühmt sein wird wie Rilke und Hofmannsthal zu ihrer Zeit“.

Das Echo auf die französische Übersetzung („Gel“, 1967) ist zwar gering, die wenigen, durchaus positiven Rezensionen kündigen allerdings bereits zwei Weisen der Rezeption seiner Werke an: einerseits eine ideologische, die den Roman unter dem Titel „Nazisme et conscience allemande“ in die engagierte deutsche (!) Nachkriegsliteratur einreiht, andererseits eine literarästhetische, die „Frost“ in der österreichischen Romantradition versteht, die existentielle Themen in einer besonders dichten, komplexen Sprache aufwerfe.

Verwirrend und musikalisch

Während dieser ersten literarästhetisch-philosophischen Phase (von „Frost“ bis „Ja“) wird Bernhards Originalität und Modernität an der verwirrenden, aber zugleich fesselnden, musikalischen Schreibweise festgemacht. Sie entspreche dem luziden Wahnsinn der Bernhard’schen Antihelden, welche das Dasein in radikaler Opposition zur gesellschaftlichen Norm reflektieren.

Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen, häufig der bundesdeutschen Literatur zugerechneten Schriftstellern aus Österreich wird Bernhard von Anfang an als ein österreichischer Autor wahrgenommen und als „geistiger Sohn Wittgensteins“ und „ecrivain-philosophe“ apostrophiert, der sich sprachkritisch und ideologiebefreit in einer metaphysischen Leere bewegt. Die negative Österreich-Topographie bei Bernhard wird zunächst nur nebenbei und als Ausdruck einer in innere Konflikte verstrickten, tragischen Dichterpersönlichkeit bemerkt.

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