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Als Heilsbote

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Ich möchte noch einmal die Osterglocken meiner Heimatpfarre hören vor meinem Sterben", bat mich ein unheilbar Kranker bei meinem letzten Besuch im Pflegeheim. Wie schön, daß es die Technik gibt: Wir konnten ihm das Ostergeläute seiner Taufgemeinde per Tonband ans Sterbebett bringen. Waren es immer diese „Osterglocken", die man vom Priester und der christlichen Gemeinde für unsere Kranken und Sterbenden erwartet hat?

Der Priester als Todesbote — so war es bis in die Gegenwart: Auf dem Land war der Pfarrer schon mit der „Letzten Ölung", mit der „Wegzehrung", mit den „Sterbe-sakrementen" da. Der Priester als „Totenvogel". „Arztliche Kunst, Lebenskunst, ist hier zu Ende, jetzt ist der Pfarrer an der Reihe", lautet die gebräuchliche Formulierung im Spital.

Der Priester und die christlichen Heilszeichen (Sakramente) konnten nur als Todesboten empfunden werden. Der Besuch des Priesters mußte deswegen so lange wie möglich hinausgezögert oder als aufregendes Element ferngehalten werden, so lange der Sterbende noch bei Bewußtsein war.

„Sprechen Sie möglichst leise, Hocliwürden, damit er nichts hört und sich nicht aufregt", sagte vor Jahren die Frau angesichts ihres schwerkranken, bewußtlosen Mannes zu mir. Sie meinte damit unser Beten.

Die regelmäßigen Besuche des Priesters als Heils- und Lebensbote sollten bei allen Kranken (vorausgesetzt ist ein gut funktionierender Meldedienst!) — ob heilbar oder unheilbar — ein Vertrauensverhältnis schaffen, das bleibt, auch wenn der Kranke wieder gesund oder vielleicht als unheilbar nach Hause kommt. Der Priester wird zum gerngesehenen Besucher.

Wie kann nun der Priester — weitgehend austauschbar mit jedem getauften und gefirmten Christen, ja mit jedem menschlich fühlenden Menschen — Kranken und Sterbenden helfen?

Durch Nahesein. Seit Jesus, dem großen Heiland der Mensch heit, ist menschliches Nahesein das Ursakrament. Dieses Haut-Nahesein des Jesus von Nazareth ließ den Menschen neue Hoffnung schöpfen. Dieser Blinde, dieser Lahme, dieser Aussätzige, diese Tochter des Jairus, dieser Knecht des Hauptmannes, diese Schwiegermutter des Petrus ... Jesus rührt sie an, hält die Hand, ist menschlich nahe. Ich darf auch einmal mit einem Kranken weinen, ohne mich schämen zu müssen.

Dieses Nahesein muß absichtslos sein. Weil du krank bist, besuche ich dich, das muß der Kranke spüren können! Nicht weil du so viel mitgearbeitet hast, nicht weil du ein sonntäglicher Kirchgänger bist, auch nicht weil ich dich „bekehren" möchte. Wenn ich entscheiden müßte zwischen einem „aufgezwungenem" Sakrament ohne menschliches Nahesein oder menschlichem Nahesein ohne Sakrament (wenn es nicht als Heilszeichen gespendet werden kann), dann würde ich mich für das „Ursakrament" des Naheseins entscheiden. Das können Gott sei Dank auch Laien spenden!

Gebet und Sakramente als österliche Heilszeichen der Kirche müssen wahrhaftig sein und letzte Hoffnung vermitteln. Wahrhaftigkeit am Krankenbett ist auch für den Priester eine Forderung, manchmal auch als Mittler zwischen Krankem und dessen Familie. Mit aller Behutsamkeit beginne ich mit dem Kranken und dessen nächsten Bezugspersonen zu beten", oft erst nach mehreren Besuchen und vorsichtigem Fragen.

Nahesein, absichtslos, gläubig, ist aber gerade in den letzten Lebenswochen und Lebenstagen ein unabdingbarer Dienst einer Gemeinde, die sich christlich nennt, nicht nur des Priesters. Die „Traumvorstellung" eines Landpfarrers wäre es, in Zukunft für vielleicht zwei oder drei ländliche Gemeinden zusammen (je nach Größe) ein gutes Team von Hausarzt, Hauskrankenschwester und Priester (ersetzbar durch einen geschulten Vertreter der Pfarrgemeinde) zu haben.

Die Hauskrankenschwester sollte eine Diplomkrankenschwester sein, psychologisch und religiös für den Heilsdienst am Kranken und seiner Familie geschult, ein ganz neuer Beruf also!

Der Autor betreut zwei Landpfarren des Stiftes Kremsmünster und nimmt sich besonders der Seelsorge an Kranken und ihren Familien an.

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