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Geschichte einer Wiedergeburt
Robert Jungk ist ein Berichterstatter, dem die Berichte unter der Hand zu Romanen und — zu Bekenntnissen werden. Das Bekenntnis in diesem Buche über Hiroshima lehrt Menschlichkeit. — Mit eigenen Augen hat der Verfasser die Schäden jener verhängnisvollen A-Bombe gesehen, die 1945 die Stadt zerstörte. Gespräche mit Augenzeugen der Katastrophe. Erinnerungen und Tagebücher von Be-iwohnern der Stadt geben den Berichten Glaubwürdigkeit und lassen sie anschaulich vor den Leser treten. Am erstaunlichsten ist der Lebenswille, der aus den Trümmern wächst — zum rechten Leben wie zum Verbrechen; gute, gütige Selbstlosigkeit wie selbstherrliche Instinkte werden in solchen Zeiten wach. Verwahrlosung der Jugendlichen kann deren Spieltrieb nicht töten; Menschen- und Gebäudetrümmer können den Forschertrieb nicht aufhalten. Die zerstörte Stadt und ihre zerstörten Bewohner sind ein Blick-Feld ins Menschliche: das ganze edle, furchtbare, aussichtslose, verzweifelte, lachende, lebenswillige, unterganggeweihte Gebräu des Menschenlebens wird hier offenbar. Wir sehen wie im Spiegel unsere Möglichkeiten, die wirklich wurden. So wie Einzelschicksale mit Höhen und Tiefen offenbar wurden, so auch das Schicksal einer Stadt: die „Atombombenkrankheit“. Was sich hier an Leid und Tragik abspielt (bis heute muß man sagen), klingt fast wie ein Märchen. Dazu kommen die Versuche der Besatzung und der eigenen Regierung, diese Krankheiten nicht wahrhaben zu wollen und sie mit allen Mitteln zu leugnen und zu verleugnen.
Zuletzt mutete man den Kranken iu, „Material“ für die Forschung über radioaktive Schädigungen des menschlichen Organismus zu sein — ehrfurchtsloser kann man wohl nicht Staatsräson betreiben —, denn die Kranken wurden nur untersucht, aber nicht ärztlich behandelt. Es liegt keineswegs im Sinne des “ Autors, jemanden zu diffamieren, aber die bloßen Berichte sind Anklage und Klage zugleich,
„Straelen aus der Asche“ kommen''HdcWJ Immer, und der Mensch ist diesen ausgesetzt, ist wehrlos. Tötende Strahlen kommen aus der Politik, die um die Atomwaffe herumgebastelt wird. Allerdings gibt es auch warme, leuchtende, lindernde Strahlen aus der Asche: Menschen und Gruppen, die auf aussichtslosem Posten sich selbst, ihre Stellung und ihre persönlichste Liebe darangeben, um den einen zu helfen und um vor den anderen zu protestieren. Wenn man beim Lesen dieses Buches auch manchmal vom Grauen gepackt wird, wichtiger ist, daß man wachgerüttelt wird: was dort einmal geschah und noch immer vor sich geht, kann jeden Tag überall sich ereignen. Solche Katastrophen werden selten von einem einzigen Menschen veranlaßt und verantwortet — sind wir wehrlos wie gegen eine Naturkatastrophe? Wenn heute „Naturkatastrophen“ so aussehen, dann kann man nur beten, daß die „Dämonen unter dem Himmelsgewölbe“ hinausgebetet werden und daß immer genug Liebende, Helfende, Selbstlose da sein mögen, die ein Herz haben.
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