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Bruno Kreisky

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Mit Bruno Kreisky ist die vorletzte große Politikerper- sönlichkeit der österreichi- schen Nachkriegsgeschichte, der letzte Groß- und Altöster- reicher von historischer Sta- tur, dahingegangen, dem man, unabhängig davon, wie man inhaltlich zu seinem Lebens- werk steht, das Attribut der historischen Größe und Dimen- sion zuerkennen muß.

Man muß bis auf Ignaz Sei- pel, ja vielleicht bis auf Metter- nich zurückgehen, um eine Persönlichkeit von vergleich- barer Wirksamkeit und Spann- weite zu finden. Kreisky ist, obwohl seines Zeichens über- zeugter Sozialdemokrat und in gewissem Sinne auch noch Austromarxist, über den Par-, teirahmen hinausgewachsen und zum Staatsmann gewor- den, dem Österreich oft zu klein wurde und vorkam.

Dieser große Zuschnitt hatte allerdings die nachteilige Kehr- seite, daß ersieh um die Niede- rungen der österreichischen politischen Praxis zu wenig kümmerte und dann erleben mußte, wie auch in den eigenen Reihen Habgier und Korrup- tion, die ihm selbst fremd wa- ren, überhandnahmen und die sozialistische Idee verdunkel- ten. Doch die Tatsache, daß auch Kreisky den Satz „ Wo viel Licht ist, ist auch viel Schat- ten" bestätigte und keine Aus- nahme von der Regel darstell- te, ändert nichts an seinem Format.

Zusammen mit Kardinal Franz König, der diese Woche seinen 85. Geburtstag feiert und dem auch an dieser Stelle herz- lich gedankt und gratuliert sei, hat Kreisky einer Epoche der österreichischen Geschichte seinen Stempel aufgeprägt und hat sich, obwohl persönlich Agnostiker, immer für eine Verständigung mit der katho- lischen Kirche eingesetzt, nicht nur in dieser Beziehung paral- lel mit Franz Olah, der nun- mehr der einzige Verbliebene der Gründergeneration von 1945 ist.

Der Sturz Olahs, dem Kreis- ky immer eng verbunden war und blieb, ermöglichte erst sei- nen großen persönlichen Auf- stieg, ein Beispiel mehr dafür, daß es in der Politik nicht immer logisch und rational, sondern häufig gebrochen und umwegig zugeht, und daß man selbst gute Freunde, wenigstens zeitweise, hinter sich lassen und beerben muß.

Kreisky, der oft sagte, daß es in der Politik keine Freund- schaft und Dankbarkeit gibt, mußte die Wahrheit dieses Satzes auch am eigenen Leibe erleben. Ihm, der als politisch Handelnder zwangsläufig vie- le Menschen enttäuschen muß- te, sind persönliche Enttäu- schungen ebensowenig erspart geblieben. Doch er hat sich von diesen Gefühlen nicht unter- kriegen lassen und hat auch im Tode Anspruch, daß sich ihm die besten Gefühle zuwen- den, ohne ihn damit der histo- rischen Kritik, der jeder Sterb- liche ausgesetzt bleibt, zu ent- rücken.

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