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Das Idealgewicht

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„Vom Eise befreit… “ Solche Zitate und strahlende Sonne am wolkenlosen Himmel wecken die Sehnsucht nach Meeresstrand, Seeufer oder Swimming-pool; immer häufiger zieren Surf- Brettl die Autodächer, und aus jeder Auslagenecke grinsen Schaufensterpuppen in Bikinis, Einteilern, Tangas und Modebadehosen, doch — o Schreck! — der Winter-

speck muß vorher noch weg. Sofort und radikal! Die ideale Bikini-Badehosenfigur muß her.

Da werden alle Diäten und Hungerkuren des vergangenen Frühjahrs wieder zu Ehren kommen, die „Magersucht“ setzt ein und sich (meist nicht ganz) durch.

Ärztliche Standpunkte zu diesem Thema werden prinzipiell nicht ernst genommen, schon wesentlich mehr zählen die Ratschläge der Ernährungswissenschaftler, doch all dies übertrumpfen die Tips und verschiedenen Methoden, die in jeder Pimperl-Zeitschrift, und sei sie auch noch so bedeutend, zu finden sind. Alle haben eines gemeinsam, man nimmt innerhalb kürzester Zeit die meisten Kilo ab, ohne seine Eßgewohnheiten ändern zu müssen.

Da rät Dr. Sack im „Blatt für die berufstätige Hausfrau“ zur Wür- stel-ohne-Senf-Kur, da empfiehlt Frau Uschi in „Die Zeitschrift des guten Geschmacks“ weniger Alkohol und mehr Seetang, schließlich meint Mag. Löwenzahn im „Unterdrückten Mann“, daß ein Hausputz pro Wochę der absolut beste Weg zur Badehosenfigur sei, was ihm Frau Grete in dem Blatt „Heimchen am Herd“ durch ihre „Koch-Iß-Wasch-ab“-Diät bestätigt.

Bei so vielen Ratschlägen greift der Übergewichtige verwirrt und resignierend zur Speisekarte und verlangt: „Einmal Schweinsbraten, schön fett, mit Kraut und Knödel, und dazu ein großes Bier!“

Hier nun (exklusiv in der FURCHE) ein überschaubares Angebot an Abmagerungskuren, die rasch Wirkung zeigen, sofern sie werk- und wortgetreu befolgt werden, mit und ohne Abzüge oder Ergänzungen.

• Beliebt bei erfolgreichen Menschen aus Wirtschaft und Industrie ist die „Schweizer Diät“. Sie verlangt unbedingte Sauberkeit des Körpers und eine weiße Weste sowie als bevorzugte Speise den Emmentaler, wobei hier vor allem das Konsumieren der großen und größten Löcher zum effektivsten Gewichtsverlust führt.

• Ähnlich verhält es sich mit der „Luxemburger oder Liechtensteiner Kur“, die als Ergänzung allerdings das Briefschreiben an Luxemburger oder Liechtensteiner Briefkastenfirmen strengstens untersagt.

• Ganz anders geartet dagegen die „Alpendiät aus Österreich“, die in erster Linie ein „Gürtel-en- ger-Schnallen“ vorschlägt, das sich bisher aber meist nur auf ei-

nen finanziellen Gewichtsverlust des Staatsbürgers, nicht der politischen Funktionäre, bezog.

• Die „Wiener Radikal-Kur“ hat sich bislang nicht so recht durchgesetzt, doch soll die ständige Belieferung des Mittagstisches durch die „Essen auf Rädern“- Nahrungs-Ges.m.b.H. eine Körpergewichtsreduktion mit Langzeitwirkung garantieren.

• Im kleinsten Bundesland offerieren viele Gemeinden ein Pau- schalangeböt, das nichts anderes als zwei Wochen Nächtigung in einem Kotter nach eigener Wahl und ohne Komfort enthält, unter dem Namen „Die Kotterkur“. Bei endgültiger Abrechnung des Pauschalangebotes dieser wirkungsvollen Hungerkur bringt jedes abgenommene Kilo eine Preiserhöhung um jeweils fünf Prozent mit sich.

• Zur Abmagerungskur des Jahres wurde „der österreichische Weg“ gewählt, der zwar keinerlei Erfolg im Kampf gegen den Winterspeck zeitigte, dem man aber heuer einen besonders schmerzhaften Schrumpfungsprozeß zubilligen muß.

Dagegen wird dringend vor der „blauen Diät“ gewarnt, denn, es hat sich gezeigt, daß bei ihr auch Kalorienverluste von nahezu 20 Prozent zu einem unerklärlichen Ansteigen des Körpergewichtes führen.

Damit schließe ich meine unvollständige Liste, denn auf mich wartet heute abend mein achtgängiges Festdinner, zu dem ich als Präsident des Clubs der Hun- dert-Kilo-Männer eingeladen bin.

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