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Abseits von klassischen Klischees

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Schlechtes Wetter und ein daran angepaßtes Essen - die Vorurteile über britische Eigenheiten halten einer Uberprüfung nicht stand.

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Schlechtes Wetter und ein daran angepaßtes Essen - die Vorurteile über britische Eigenheiten halten einer Uberprüfung nicht stand.

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Wurde die Planung eines ungetrübten Urlaubes vergangenen Sommer auch für Sie ein Spießrutenlauf zwischen Krisengebieten und Ozonlochproblematik? Trösten Sie sich, Sie waren damit nicht alleine! Für immer mehr Urlaubsplaner wird die Wahl zunehmend zur Qual. Dabei mangelt es sicher nicht an Wunschvorstellungen. Hat der eine Sandstrand und Meeresbrandung vor Augen, so erforscht ein anderer im Geiste bezaubernde Landschaften und geschichtsträchtige Stätten oder inhaliert ganz einfach Beiselkultur und Nachtleben. Der ideale Urlaub sollte womöglich alles zusammen bieten. Haben Sie schon England probiert? ^

England? Nein, danke! Vierzehn Tage Regen, miserable Küche, lauwarmes Bier und Golf spielende Snobs. Wer ist daran schon interessiert? Vorsicht! Haben Sie diese Klischees schon einmal überprüft? Wenn ja, so werden Sie bereits weitere Urlaube auf den britischen Inseln planen. Wenn nicht, gehen Sie der Sache auf den Grund! Sie werden sehen, es lohnt sich. Insider wissen längst, daß schon alleirie England durch seine geologische Vielfalt scheinbare Gegensätze in sich vereint.

So bietet das Landesinnere wunderschöne Hügellandschaften mit faszinierenden Überresten längst vergessener vorgeschichtlicher Kulturen, wildromantische Hochmoore oder nahezu unveränderte mittelalterliche Ortschaften. Durch die unermüdliche Arbeit des National Trust und der British Heritage, zweier Organisationen, die weite Landstriche, unzählige Schlösser, Burgen und Ruinen aufgekauft und sich deren Bewahrung und Erhaltung zur Aufgabe gemacht haben, kann man hier noch eine weitgehend intakte Umwelt und bestmöglich erhaltene Bauwerke oder kultische Steinkreise bevnindern.

Die Sorgfalt der Engländer geht in diesen Belangen sogar so weit, daß die in den sechziger Jahren bei Cad-buiy freigelegte Ruine des dort vermuteten sagenhaften Camelot nach wissenschaftlichen Untersuchungen wieder mit der abgetragenen Erde bedeckt wurde, um sie nicht der Erosion und somit ihrem unweigerlichen Ende preiszugeben. Der Ort, der bereits mit dem typisch dichten Gras überwachsen ist, hat seine Atmosphäre jedoch nicht eingebüßt.

SONNE, SAND UND MEER

Die Küste, aufgrund der Längsform der Insel vom Landesinneren stets relativ rasch erreichbar, birgt vor allem in den südwestlichen Grafschaften und in Cornwall Buchten mit schönen Sandstränden und mitunter gewaltigenen Brandungen. In Cornwall kann man in einigen Buchten tatsächlich Wellen reiten. Einzig die etwas niederen Wassertemperaturen verhindern das Aufkommen von Karibikgefühlen; das durch den Golfstrom begünstigte Klima ermöglicht sogar das Gedeihen von Palmen, die mancherorts von Liebhabern gepflanzt Wiarden. Doch an die Wassertemperaturen hat man sich bald gewöhnt. Englische Kinder verbringen oft den ganzen Tag im Wasser.

Im Sommer kann es vorkommen, daß es eine ganze Woche nicht regnet. In manchen Jahren gab es im Süden während der Sommermonate sogar vereinzelt Wasserknappheiten. Und wenn es regnet, so ist der Regen selten von langer Dauer. Meist folgt nach einer halben Stunde wieder strahlender Sonnenschein. Die vom Atlantik heranziehenden Quellwolken, die mitunter zu dem wechselhaften Wetter führen, bieten in ihren Formationen einen stimmungsvollen Anblick und sollten Ihr Urlaubsvergnügen nicht trüben. Die Engländer lassen sich ja davon offensichtlich nicht beeinträchtigen.

Die Küche ist abwechslungsreich, gesund und vor allem liebevoll zubereitet. Besonders am Meer kann man täglich die frischen Meeresfrüchte gebraten, gebacken oder mit Soßen und Beilagen genießen. Für Mehlspeistiger gibt es eine Unzahl von süßen Köstlichkeiten.

KULINARISCHES ENGLAND

Die Eßgewohnheiten der Engländer kommen ausgedehnten Tagesaktivitäten auch sehr entgegen. Das „English breakfast" mit allen Schikanen verbannt Hungergefühle bis zum späten Nachmittag und ist für sich schon einen Englandurlaub wert. Zu Mittag, zur „lunchtime", werden nur Kleinigkeiten gegessen. Zwischen vier und fünf Uhr kann man sich zur traditioneUen „teati-me" in einer der zahlreichen Teestuben zu einer Tasse und einer köstlichen Mehlspeise einfinden. Am Abend gibt es dann warme Küche. Mittägliche Völlerei ist den Engländern fremd.

Die Golf spielenden Snobs entpuppen sich spätestens am Abend im „pub", für Engländer ein traditioneller Treffpunkt, bei einem Glas „real ale", „bitter" oder „stout", wie die ausgezeichneten heimischen Biersorten bezeichnet werden, als ge-selhge und humorvolle Gesellschaft. Das „lauwarme" Bier wäre treffender als nicht eiskalt zu bezeichnen. So kommt der charakteristische Geschmack ohnehin besser zur Geltung, denn das Einfrieren der Geschmacksknospen täte dem Genuß Abbruch.

Das so oft karikierte Wesen der Engländer läßt sich auch anders beschreiben: unaufdringlich, höflich, tolerant. Vor allem Fremden gegenüber sind sie offen, wenngleich ihnen, die unbeirrbar an ihren Eigenheiten festhalten, die „kontinentalen Gebräuche" mitunter ein Schmunzeln abringen.

Bereisen läßt sich dieses vielseitige Land am besten mit einem „fly and drive" Arrangement, das im Angebot zahlreicher Reiseveranstalter zu finden ist. Der Vorteil daran ist absolute Ungebundenheit mit dem Mietwagen.

Die Unterbringung erweist sich zumeist als problemlos, da in jeder Ortschaft „bed & breakfast" - ähnlich unseren heimischen Privatpensionen - angeboten wird. Diese Variante eignet sich ohnehin am besten, um Land und Leute kennen zu lernen.

Das Straßennetz ist hervorragend ausgebaut und der Linksverkehr eine interessante Erfahrung für jeden Autofahrer. Nach kurzer Eingewöhnung stellt diese traditionelle Fahrordnung kein Problem mehr dar. Verfahren ist aufgrund des häufigen Kreisverkehrs, der in England die Kreuzungen ersetzt, nahezu unmöglich. Man dreht einfach so viele Ehrenrunden auf der innersten Spur des sogenannten „round about" bis man sich für eine Abzweigung entschieden hat.

Das Verkehrsverhalten der Engländer unterscheidet sich in der Regel nicht von ihrem sonstigen Verhalten: tolerant und zurückhaltend. Sie nennen das „common sense". Vordrängen gilt als rüde. Gelassenes Anstellen, das sogenannte „queuing", ist eine enghsche Tugend, die ihnen, sollten sie in einen Stau geraten, sicherlich angenehm auffallen wird. Doch Staus sind in England ~ wohl wegen der Disziplin - auch nie von langer Dauer.

Doch überzeugen Sie sich selbst von der etwas anderen Insel!

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