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Die Dinge ändern …

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Der Mensch ist ein eigenartiges Wesen: Er ist immer darauf aus und hinterher, das Bestehende zu ändern. Das „Alles fließt“ der alten Griechen, die Erkenntnis des Wandelbaren und Unbeständigen, das in der Welt der großen und kleinen Dinge beschlossen liegt, erfährt durch den naturgegebenen Drang des Menschen nach Änderung, nach immer Neuem, eine Verschärfung, eine „Eskalation“. Was eine mehr evolutionäre Natur in harmonischer Manier und an einem eben natürlichen Ablauf des Geschehens, das ja immer Ändern und Verändern ist, demonstriert, dem zwingt der Mensch den Stempel der Gewalt, des Gewalttätigen, der großen Unruhe auf. Der Mensch, der sich zu gern die Maske des Revolutionärs, des

Erneuerers um jeden Preis über den Kopf stülpt, gefällt sich darin, die Welt aus den Angeln heben zu wollen. Am liebsten tut er dies lauthals und großsprecherisch, mit viel Radau und grimmen Gesten.

Da lebte vor mehr als zwei Jahrhunderten — von 1702 bis 1782 — in schwäbischen Landen der Religionsphilosoph Friedrich Christian Oetinger. Er schrieb Gedanken nieder, über die sich Gedanken zu machen auch der heutige Mensch nicht zögern sollte. Oetinger meint: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine von dem andern zu unterscheiden.“

Man müßte gerade auf die letzte Sentenz, „die Weisheit, das eine von dem andern unterscheiden zu können“, alles Gewicht legen. Dinge hinnehmen, die nicht zu ändern sind, das verlangt oft mehr Kraft, mehr innere Kraft, als ein radikales Niederreißen. Das „glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist“, scheint fast mehr zu sein als eine billige Operetten-Libretto- Weisheit. Es muß nicht immer ein Zeichen der Schwäche sein, konservativ zu sein. Es bedarf einer Portion Mutes, Herkömmliches, wenn es den Keim des Zeitlosen, ewig Gültigen in sich trägt — denn sonst lohnt sich der Einsatz nicht — zu verteidigen. Ändern kann man bald was, Anhänger für eine Änderung, so sie nur gefällig, die Massen anlockend, verpackt ist, findet man mehr als genug. Rattenfänger sind niemals aus jenem Holz, aus dem der wahre Revolutionär geschnitzt sein soll. Mit Flötenspiel fängt man eben nur Ratten, Menschen kaum.

Darum, Freunde, es ist schön und heilsam, die Dinge zu ändern, wenn sie einer Änderung bedürfen. Aber eben nur dann. Eine Art Mode daraus zu machen, ist von Übel…

Zu dem Thema vielleicht noch einige Sätze, die John Steinbeck in seinem Werk „Wonniger Donnerstag“ niedergeschrieben hat. „Die Menschen ändern sich, und die Veränderung kommt wie ein leichter Windhauch, der gegen Morgen die Vorhänge kräuselt, und wie der verstohlene Duft von Feldblumen, die im Gras verborgen blühen. Die Veränderung kann sich durch einen leichten Schmerz ankündigen, daß man meint, man habe sich erkältet. Oder man verspürt einen leisen Widerwillen gegen etwas, was man gestern noch gern hatte. Sie mag auch die Gestalt eines Hungers annehmen, der mit Erdnüssen nicht zu stillen ist. Gilt nicht Heißhunger als eines der stärksten Anzeichen von Unzufriedenheit? Und ist nicht Unzufriedenheit der Hebel der . ‘Veränderung?“

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