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Die Schweiz als Vorbild

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Mitte Oktober startete Verteidigungsminister Otto Rösch seinem Amtskollegen in der Schweiz einen Besuch ab. Und auch eine österreichische Parlamentarierdelegation, darunter die Wehrsprecher aller drei im Nationalrat vertretenen Parteien, fuhr auf Einladung des Eidgenössischen Militärdepartements zu Gesprächen mit Militärs und Politikern ins benachbarte Ausland.

Wer diesen Besuch in der Schweiz mitmachte, mußte zu vier Ergebnissen und Erkenntnissen gelangen:

• Österreich erfüllt in verteidigungspolitischer Hinsicht die Verwendungszusage jener österreichischen Staatsmänner, die im Jahre 1955 das Moskauer Memorandum gezeichnet hatten (unter ihnen der damalige Staatssekretär Bruno Kreisky), „eine Neutralität der Art zu üben, wie sie von der Schweiz gehandhabt wird”, nicht.

• Man versteht warum von österreichischer Regierungsseite das „neue”

österreichische Wehrsystem nicht als Miliz, sondern nur als „milizartig” bezeichnet wird.

• Man begreift, warum, ohne die Verteidigungsbereitschaft zu schwächen, auch eine vier-monatige Grundausbildung für die Panzertruppe ausreichend sein kann.

• Man begreift, warum die Rüstungspolitik der Schweiz voll in aller Öffentlichkeit diskutiert werden darf.

Zum ersten Punkt: Das österreichische Verteidigungssystem läßt sich hinsichtlich Konzeption, Heeresaufbau, Ausrüstung, Budgeterfordernisse mit dem schweizerischen nicht vergleichen. Eine in das Staatsleben total integrierte Schweizer Armee mit einer Infrastruktur, die in Österreich nicht einmal ansatzweise vorhanden ist, wirkt imponierend.

Die Parlamentsdelegation konnte ein unterirdisches komplett bis auf die letzte Ampulle eingerichtetes Zivil- und Heereskrankenhaus besichtigen, über das ein Schulgebäude errichtet ist (der Bettensaal ist derzeit ein Turnsaal der Schule). Wir konnten einen Zivilschutzbau mit atomsicheren Anlagen besuchen, der während der Wiederholungsübungen der Armee dieser als Regimentsgefechtsstand dient. Der Vergleich mit den Anlagen der Raumverteidigungsübung 1979 ist deprimierend.

Die Schweizer Armee braucht keine Bereitschaftstruppe, weil das ganze Jahr über Truppen in solcher Zahl und Ausrüstung ihre Wiederholungsübungen leisten, daß für die Schweiz die Unterhaltung einer „ständig einsatzbereiten” Truppe, um die in Österreich noch immer Streit ist, nicht erforderlich ist.

Wir konnten erfahren, daß jedes Infanteriebataillon mit einer Kompanie ferngelenkter Panzerabwehrwaffen ausgerüstet ist (in Österreich gibt es so etwas nicht).

Zum zweiten Punkt: Miliz heißt auch bereit sein, ohne volles Entgelt an Freizeit und Lohn, heißt, vermehrt als andere Dienst zu leisten. Der Offizier muß fast eine Woche, der Unteroffizier einige Tage vor der Wiederholungsübung einrücken, um die Übung vorzubreiten, damit der Mann am Montag sofort in den Ubungsbetrieb eingeführt wird.

Die Offiziere schreiben ihre Einberufungsbefehle für die Mitglieder ihrer Einheit selber. Es bedarf keines bürokratischen Aufwandes. Zu Wiederholungskursen wird auch durch öffentlichen Anschlag aufgefordert. Es gebe kaum ein Fernbleiben!

In Österreich geschieht nichts freiwillig. Jede Handleistung muß mit Geld oder Freizeit aufgewogen werden, wenn sie über das Ende des Dienstschlusses hinaus gefordert wäre. Ich habe für diese Erscheinung den Ausdruck „Uberstunden-Heer” gewählt. Es ist ein Problem der Berufs- und Wehrgesinnung!

Zum dritten Punkt: Vier Monate Rekrutenschule scheinen zu genügen, weil die Ausbildung so intensiv ist, daß sie verbummelte Uberzeiten leicht wettmachen.

Wir konnten auch eine Panzertruppenschule besuchen. Die gesamte Panzerausbildung findet da im Saale statt. Die Rekruten werden in der Grundausbildung an „Simulatoren” ausgebildet: Man fährt, schießt und lernt im Saale auf hochtechnisierten Attrappen, die aber ein totales 1:1 -Bild mit der Wirklichkeit ergeben.

Und schließlich zum vierten Punkt: Die Rüstungspolitik wird offen diskutiert. Jedes Großprojekt muß in den parlamentarischen Militärausschuß, da es keine budgetären Globalsummen gebe, mit denen der Minister macht, was seiner Meinung nach richtig ist, sondern die Summen werden parlamentarisch gewidmet.

Man hat uns ebenso über die Formalstruktur der Planungen informiert. Sie erreichen in jedem Falle die Entscheidungsebene.

In Österreich hatte das Parlament die letzte große Vorlage im Jahre 1978 und die Budgetdebatten finden seit Jahren in den späteren Abendstunden statt, weil vor dem Kapitel „Heerwesen” die Fragen der Justiz und des Inneren behandelt werden. Wir alle wissen: was nach 17 Uhr diskutiert wird findet den Weg in die Zeitungen nicht mehr, da um diese Zeit für viele Zeitungen Redaktionsschluß ist und sich für eine Budgetdebatte ohnehin kaum jemand interessiert.

Der Autor ist Wehrsprecher der OVP.

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