6993694-1987_02_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Trust group lebt!

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Aus der Sowjetunion hört man, daß die Moskauer Trust group, gegründet zur Herstellung des Vertrauens zwischen Ost und West, aufgelöst sei.

ALEXEJ KOROSTYLOW: Wenn so etwas von sowjetischen Agenturen verbreitet wird, dann bedeutet das, daß unsere unabhängige Vereinigung sehr wohl noch existiert. Sonst würde man kaum darüber schreiben. Ich habe am 24. Dezember per Telefon eine Erklärung der Trust group aus Moskau erhalten, in der 19 Mitglieder — unter ihnen Wladimir und Sinajda Gleser sowie Larissa Tschukajewa — die Weiterexistenz der Bewegung bestätigen. Am Neujahrstag gab es — als jüngste Aktion — eine Demonstration mit brennenden Kerzen auf den Straßen in Moskau.

FURCHE: Warum wird die Trust group verfolgt?

KOROSTYLOW: Unabhängigkeit wird in der Sowjetunion nicht geduldet. Noch jede unabhängige Bewegung wurde unter Druck gesetzt. Wladimir Gleser wurde bei-

spielsweise zur Polizei beordert und belehrt, daß er den Kampf für den Frieden Professionalisten überlassen solle. Wir meinen jedoch, daß es wichtig ist, internationale Kontakte herzustellen und Menschen anderer Länder kennenzulernen.

FURCHE: Warum machen Sie, das nicht innerhalb des Systems?

KOROSTYLOW: Weil in unserer zentralistischen Führung freie Kontakte nicht geduldet werden. Nicht einmal freier Briefwechsel ist möglich. Man kann nur den offiziellen Weg gehen: Schulbesuch, aktiv in kommunistischen Organisationen mittun und über die Schule an Auslandsreisen teilnehmen - später über die diversen Komitees.

Wir gingen den anderen Weg und versuchten selbständig, mit Gesinnungsfreunden im Ausland Verbindung aufzunehmen. Das hatte für viele zur Folge, daß sie auf eine Karriere verzichten mußten.

FURCHE: Wie wurde das KCB auf Sie aufmerksam?

KOROSTYLOW: Unsere Telefone wurden abgehört, nachdem wir als Demonstrationsteilnehmer bekannt geworden waren. Wir haben am Telefon, da wir ja nichts Ungesetzliches vorhatten, immer sehr offen gesprochen. Bei mir zu Hause wurden verschiedene Seminare abgehalten.

Im September des Vorjahres hat das KGB versucht, diese Veranstaltungen zu stören. Es wurden Ausweise kontrolliert Und willkürlich drei Seminarteilnehmer mitgenommen. Sie wurden mittlerweile geheim verurteilt; wir hatten keine Möglichkeit, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Unsere Berufungsanträge haben die Behörden nicht einmal gelesen.

Mir selbst haben KGB-Beamte nach einem Verhör Rauschgift in meine Tasche gegeben. Als man mich auf die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens aufmerksam machte, wollte ich es nicht drauf ankommen lassen. Schließlich habe ich ein Kind, und meine Frau war schwanger. Ich nahm das Angebot, ins Ausland zu gehen, an.

Rund 1.000 Rubel pro Person haben die diversen Anträge gekostet — bei einem Familiengehalt von etwa 200 Rubel eine sehr große Summe.

FURCHE: Wie beurteilen Sie die Menschenrechtssituation in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow?

KOROSTYLOW: Sie ist schlechter als zur Zeit Chruschtschows. Unter Chruschtschow wurden Millionen aus den Straflagern entlassen. Bei Gorbatschow sind es nur einzelne. Ich sehe keine wesentlichen Änderungen.

Sacharows Freilassung ist positiv. Aber das ist nur eine Gegenleistung für den Tod Anatolij Martschenkos. An eine solche Art der Politik sind wir schon gewöhnt: es ist eine Politik des Gleichgewichts. Als ich die Sowjetunion verließ, wurden drei Mitglieder der Trust group verhaftet.

FURCHE: Kann Gorbatschow etwas ändern?

KOROSTYLOW: Ich weiß nicht, ob er das will; und wenn er es will, ob er es kann. Manche Dinge werden freier. Das ist noch keine Freiheit. Für mich ist Maßstab der Freiheit, wie viele unabhängige Organisationen es in der Sowjetunion gibt.

Mit dem ehemaligen stellvertretenden Leiter der Moskauer Trust group sprach Franz Gansrigier.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung