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Die undurchlässigste Grenze der Welt

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„Das Kommando der Vereinten Ncb- tionen, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Republik Korea können nicht für Ihre persönliche Sicherheit garantieren und sollten im Falle eines feindlichen Aktes nicht haftbar gemacht werden”, heißt es auf einem Merkblatt für Besucher Panmunjoms. Korea ist, wie Deutschland, ein geteiltes Land. Eine 240 Kilometer lange Girenze trennt die „Republik Korea” von der „Koreanischen Volksdemokratischen Republik”. Es ist die undurchlässigste Grenze der Welt. Kein Straßen-, Eisenbahn- und Postverkehr findet statt, es gibt keinen Handel, keine Telephonverbindungen, weder Besuchsreisen noch Familienzusammenführungen. Nie wird über die Stacheldrahtverhaue hinweg ein Wort oder ein Gruß gewechselt.

Der „Eiserne Vorhang” zwischen Süd- und Nordkorea ist keine Staatsgrenze, sondern eine Waffenstillstandslinie. Hier, am 38. Breitengrad, hatte am 25. Juni 1950 der Koreakrieg begonnen, und hier kamen nach anderthalbjährigem wechselvollem Verlauf die Fronten zum Stehen, kam zwei Jahre später in dem kleinen Dorf Pan- munjom ein Waffenstillstandsabkommen zustande. Seither überwacht eine internationale Kommission die Vorgänge an der Grnze.

In Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, werden Exkursionen nach Panmun- jom angeboten wie Mauerfährten in Berlin. Die Autobusfahrt dauert eine Stunde, sie führt aus dem Verkehrsgewimmel Seouls über eine neue, von Re- klameschildem und Gemüsefeldern gesäumte Betonstraße, zu Ehrenmälern für gefallene UN-Soldaten und durch die engen Passagen mehrerer Panzergräben. Am Wege liegen Baracken und Verteidigungsstellungen des südkoreanischen Militärs, man sieht Soldaten an schußbereiten Geschützen, Panzer unter Tarnnetzen, nicht weit davon pflügende Bauern und Ochsengespanne in Reisfeldern. Koreanische Ausflügler können nur bis an die sogenannte „Freiheitsbrücke” am Imjin- Fluß fahren, sie finden dort ein weites Picknickgelände mit einem Basar und Gaststättenbetrieben, dazu Bildtafeln, die das Gebiet der demilitarisierten Zone veranschaulichen.

Hinter der Brücke befinden sich amerikanische Armeelager aus Wellblechbaracken und Sandsackbarrikaden, Gebäude der Gmeinsamen Waffenstillstandskommission, dazwischen Golf- und Tennisplätze. In der Offiziersmesse am Rande der vier Kilometer breiten entmilitarisierten Zone können sich die ausländischen Besucher, unter ihnen meist viele Japaner, an eisgekühlten Drinks und amerikanischer Konservenkost laben. Sie unterschreiben hier das Merkblatt, das ihnen jegliche Verbrüderungs- oder Unmutsgeste gegenüber dem Personal der kommunistischen Seite verbietet. Aber Photographieren ist erlaubt,

An der Einfahrt zum Niemandsland winken etwas angestrengt zwei nordkoreanische Posten in russisch zugeschnittenen Uniformen. Im Autobus klicken zahlreiche Kameras. Die Fahrt endet vor einer unscheinbaren Barak- ke, dem Treffpunkt der Verhandlungskommissionen. Durch ihre Mitte, genau über dem Verhandlungstisch, verläuft die Demarkationslinie. Am 28. Juli 1953 wurde an diesem Ort das Waffenstillstandsabkommen zwischen dem UN-Kommando und den Nordkorea- nem unterzeichnet, hier treffen sich seither in unregelmäßiger Folge die Vertreter der Waffenstillstandskommission wie auch die neutralen Uberwacher des Abkommens, je neun Polen, Tschechen, Schweden und Schweizer, und hier kamen Vertreter des Roten Kreuzes mit Funktionären aus Pyongyang zusammen.

Die Baracke von Panmunjom ist die einzige Kontaktstelle zwischen Nord- und Südkorea. Wie empfindlich die Nordkoreaner in Prestigefragen sind, zeigt sich unter anderem daran, daß sie nach mehrfacher Eskalation die größere Flagge, das größere Tischmikrophon aufstellten als die andere Seite. Angeblich haben sie die hölzernen Stuhlbeine der Gegenseite durch Absägen verkürzt und später die Metallstühle ihrer amerikanischen Verhandlungspartner niedriger geschraubt. Hin und wieder pflegen nordkoreanische Besuchergruppen vor der Baracke zu erscheinen, um antiamerikanische Rufe auszustoßen. Aus des Lautsprechern eines nahegelegenen Pro- padandadorfes ertönen Worte des nordkoreanischen Parteivorsitzenden und Staatsoberhauptes Kim II Sung, hört man in monotoner Wiederkehr die Redewendung: „Unser respektierter, geliebter Führer.”

Leider bleibt es nicht bei solchen zuweilen recht kindischen Aktionen. Die lange Liste der Grenzübergriffe verzeichnet Entführungen, den heimlichen Bau von Tunnels, Terror- und Sabotageakte, Schlägereien zwischen nordkoreanischen Wachtposten und amerikct- nischer Militärpolizei. Auf beiden Seiten der entmilitarisierten Zone liegen Truppen in ständiger Alarmbereitschaft, kommt es wiederholt zu blutigen Gefechten. Die Südkoreaner befürchten, daß Kim II Sung, ermutigt durch den Sieg der Kommunisten in Indochina, einen Partisanenkrieg, wenn nicht gar, wie im Jahre 1950, einen offenen Angriffskrieg gegen den Süden vom Zaune brechen könnte. Den Nordko- reanem dagegen ist vor allem die Präsenz amerikanischer Truppen in Südkorea ein Dom im Auge. Beide Seiten unterstellen einander Kiregsabsichten, empören sich über „Provokationen”. Der vor einigen Jahren auf genommene Dialog endete in einer Sackgasse. Zwischen Pyongyang und Seoul herrscht wieder Kalter Krieg.

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