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Der Kardinal-Fragebogen
Es gehört zum Gesicht der nachkonziliaren Kirche, daß es in ihr einen „Demokratisierungsprozeß“ eigener Art gibt. Man hat heute in der Kirche die immer schon vorhandene, aber aus zeitbedingten Gründen oft sehr vernachlässigte Wahrheit neu entdeckt, daß sie nicht bloß von einem relativ stark in Abnahme begriffenen Klerus leben kann, sondern daß sie vor einer Unterscheidung von Klerus und Laienschaft das eine Volk Gottes ist, also, wenn man es einmal etwas gewagt und mißverständlich so sagen wollte, „Demokratie Gottes“ ist.
Solche Wahrheiten sind allerdings auch heute noch in Gefahr, erbauliche Bibelzitate zu bleiben. Denn es nützt offensichtlich wenig, jemandem Rechte und Aufgaben zuzuschreiben, solange man nicht zugleich die geeigneten Gremien und Institutionen ins Leben,ruft, die für eine wirksame Ausübung der Rechte und eine fruchtbare Übernahme der Aufgaben erforderlich sind.
Es kann hier nicht darum gehen, solche für eine glaubwürdige Durchführung der Beschlüsse des II. Vatikanischen Konzils nötigen Gremien zu nennen, das haben Berufenere schon anderswo getan. An dieser Stelle soll vielmehr von einem gelungenen Versuch in dieser Richtung referiert werden: vom Fragebogen, der im Auftrag des Herrn Kardinals an alle katholischen Haushalte der Wiener Erzdiözese versandt worden ist und in dem diese um ihre Meinung zu grundsätzlichen Anliegen der Synode gefragt wurden. Dieser Fragebogen stellt ein Beispiel dafür dar, daß man ernsthaft bemüht ist, neben dem gut entwickelten Kommunikationsfluß von oben nach unten auch den in den letzten Jahrhunderten vernachlässigten Fluß der Meinungen von unten nach oben in Gang zu bringen.
Schon dieses Ereignis allein wäre in sich bedeutsam gewesen, auch wenn die Befragung sonst keine so brauchbaren Ergebnisse gezeitigt hätte. Die Antworten auf den Bogen des Kardinals machen aber das Ereignis noch bemerkenswerter. Von den angesprochenen mehr als 950.000 Haushalten der Wiener Erzdiözese haben über 110.000, das sind mehr als elf Prozent, geantwortet. Für Meinungsumfragen dieser Art ist das eine beachtliche Erfolgsquote. Unter den Antwortenden sind die verschiedenen Gruppen der Bevölkerung einigermaßen gut vertreten, und zwar nach Alter, Geschlecht. Herkunft von Stadt Land, Bildung und Berufszugehörigkeit. Eine nähere Analyse hat bloß die begreifliche Erwartung bestätigt, daß kirchennahe Kreise antwortfreudiger waren (vgl. dazu und zum folgenden: Synode Wien, 3 1968).
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