HGOe_-_Heldenplatz_-_Terasse - © Wikimedia / Stephan Neuhaeuser

„Terrasse der Demokratie“ statt „Hitler-Balkon“

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Wegen seiner symbolischen Bedeutung für die NS-Expansionspolitik ist das Betreten des Balkons der Wiener Hofburg verboten. Es wäre aber wichtig, diesen belasteten Ort zu demokratisieren.

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Wegen seiner symbolischen Bedeutung für die NS-Expansionspolitik ist das Betreten des Balkons der Wiener Hofburg verboten. Es wäre aber wichtig, diesen belasteten Ort zu demokratisieren.

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Der Hitler-Balkon der Wiener Hofburg ist erneut in die Diskussion geraten. Ein Werbefilm der FPÖ-Jugend lässt drei junge Männer hoffnungsvoll auf den symbolpolitisch aufgeladenen Ort blicken, von dem aus Adolf Hitler am 15. März 1938 vor 250.000 jubelnden Menschen den „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich verkündet hat. Das ist, gerade mit Blick auf die Opfer des Nationalsozialismus, ­infam. Noch infamer ist, dass führende FPÖ-Politiker die Szene völlig normal finden.

Der Balkon auf der Hofburg, der eigentlich „Altan der Neuen Burg“ heißt, ist eine Leerstelle. Er darf – von seltenen Ausnahmen abgesehen – von niemandem betreten werden. Neben baulichen und Sicherheitsbedenken gibt es die Sorge vor ideologischem Missbrauch des Balkons. Was wäre, wenn von hier aus ein neuer Führerkult seinen Ausgang nähme – noch dazu von einem Ort, von dem aus man fast alle für den Rechtsstaat Österreich wichtigen demokratischen Institutionen überblicken kann? Immer wieder einmal sollen sich vor der historischen Kulisse Passanten auf dem Heldenplatz mit einem Hitlergruß fotografieren lassen.

Erika Freemans „Rache an Hitler“

Dass der Balkon bislang mit einem Betretungsverbot belegt ist, hat ihn mit einer negativen Aura belegt, die das Gedenken an die NS-Expansionspolitik fördern soll. „Nie wieder!“, lautet der geschichtspädagogische Imperativ, der freilich zunehmend weniger Beachtung zu finden scheint. Eine Statistik vom Oktober 2022 zeigt, dass der „Wunsch nach einem starken Führer, der sich um Parlament und Wahlen nicht kümmern muss“, bei fast einem Drittel der österreichischen Bevölkerung vorhanden ist. Das ist ein alarmierendes Zeichen von Demokratiemüdigkeit. Da verwundert es nicht, wenn der seit 1945 tabuisierte Balkon von rechts neu vereinnahmt werden soll.

Zuletzt gab es eine bemerkenswerte Ausnahme. Die 95-jährige Holocaust-Überlebende und Psychoanalytikerin Erika Freemann konnte auf eigenen Wunsch hin den Altan der Neuen Burg betreten, als sie dem Museum „Haus der Geschichte Österreich“ im November 2022 persönliche Erinnerungsstücke überließ. Ihr Kommentar: „Dass ich heute hier auf dem Balkon der Neuen Burg stehe, ist zum einen meine Rache an Hitler. Zum anderen will ich gerade hier an diesem Ort darauf hinweisen, dass Demokratie zerbrechlich ist. Österreich braucht keinen starken Mann, es braucht die Stärkung des Vertrauens in die Demokratie.“

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