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Wann kommt das osterreichische Ehegeseiz?

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Seit etwa einem Jahr wurde in den österreichischen Zeitungen und Zeitschriften viel über die Frage der Eheschließung geschrieben. Die verschiedenen zur Sache erschienenen Veröffentlichungen machen klar, daß das Verlangen nach einer gerechten Lösung dieser Frage geht, nach einer Lösung also, die alle Österreicher befriedigt, welcher sozialen Schichtung und welcher Weltanschauung Immer sie angehören mögen.

Selbstverständlich wird eine österreichische Lösung verlangt, ein österreichisches Gesetz also, denn das Gesetz, das gegenwärtig in Kraft ist, ist ein ausländisches Gesetz, das, in Österreich während einer gewaltsamen Besetzung eingeführt, niemals aber von einer österreichischen Regierung in einer der österreichischen Verfassung gemäßen Form erlassen wurde, und darum in Wirklichkeit nicht die Gültigkeit eines österreichischen Gesetzes besitzt.

Aus diesem Grunde bestand eine der ersten Amtshandlungen der österreichischen Regierung und des österreichischen Parlaments darin, mit Gesetz vom 1. Mai 1945 alle vom nationalsozialistischen Regime erlassenen Gesetze, und damit auch das Ehegesetz, abzuschaffen. Und wenn einige dieser Gesetze, worunter leider auch das Ehegesetz ist, obwohl de jure null und nichtig, de facto in Kraft geblieben sind, so war dies nur vorläufig gedacht, das ist in Erwartung, daß sie von österreichischen Gesetzen abgelöst würden.

Ein neues Ehegesetz müßte in Österreich gemäß den Prinzipien des österreichischen Rechtes, die klar in der Verfassung ausgesprochen sind, in Übereinstimmung mit der österreichischen juridischen Tradition und unter Berücksichtigung der Mentalität des österreichischen Volkes erlassen werden. Ferner müßten die von Österreich in den internationalen Verträgen und Konventionen eingegangenen Verpflichtungen berücksichtigt werden, deren Einhaltung sich Österreich, wie jede Nation, die auf ihre Ehre hält, nicht entziehen kann.

Darum müßte ein neues österreichisches Gesetz auf folgendem Prinzip aufbauen: Freiheit der Bürger und Achtung ihres Gewissens.

Es müßte also festgelegt werden: Jeder österreichische Bürger kann die Ehe entweder vor der staatlichen Behörde oder vor dem offiziellen Vertreter des religiösen Bekenntnisses, dem er angehört, schließen. In diesem zweiten Falle würde also eine solche Ehe vom Pfarrer beziehungsweise vom Vertreter des betreffenden Bekenntnisses der staatlichen Behörde zur Kenntnis gebracht werden, die diese in ihre Register eintragen würde; und diese Eintragung würde alle bürgerlichen Folgen verleihen, vorausgesetzt, daß die gesetzlich vorgeschriebenen Formalitäten erfüllt worden sind.

Diese Formalitäten könnten im Normalfall folgende sein: Verlautbarung seitens der staatlichen Behörden und Ausstellung einer Urkunde, in der die staatliche Behörde erklärt, daß von seiten der bürgerlichen Rechtsordnung keine Hindernisse vorliegen.

Die Fälle der ausnahmsweisen Eheschließung, das heißt die Eheschließungen, welche die Kirche, sei es aus Gründen der Dringlichkeit, sei es aus anderen schwerwiegenden Gründen ohne die bürgerlichen Formalitäten vollziehen muß, können leicht durch besondere Normen geregelt werden. Solche Fälle sind eher selten, und die Kirche hat als erste das größte Interesse daran, daß sie so selten wie nur möglich seien.

Ein nach diesen großen Linien abgefaßtes Gesetz würde in der Frage der Eheschließung eine gerechte und weise Lösung bedeuten. Man kann wirklich nicht verstehen, warum es so sehr hinausgezögert wird, da sich alle darüber klar sind, wie dringend es für das Wohl, die Ehre und die Zukunft des österreichischen Volkes ist.

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