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Drasenhofen als Symptom?

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Die Tschechen schössen und verschleppten, die Österreicher legten Protest ein und forderten die Rückstellung des Entführten. Die Tschechen schoben die Schuld auf diesen und bezichtigten die Österreicher der hysterischen Hetze. Außenminister Kirchschläger, befragt, ob Österreich auf der Rückstellung des Entführten beharre, sprach ein unzweideutiges Ja mit dem zweifellos richtigen Argument, weder Herkunft noch jetzige Staatsbürgerschaft jenes Herrn Masaryk spielten eine Rolle; allein entscheidend sei die nicht einmal von den Tschechen bestrittene Tatsache, daß dieser sich auf österreichischem Staatsgebiet befunden habe, als er von Exekutivorganen des fremden Staates festgenommen worden sei. Und angesichts dieser eklatanten Verletzung von Hoheitsrechten müsse Österreich konsequent bleiben, schon aus — wie der Außenminister wörtlich sagte

— „Gründen der Selbstachtung”.

Der skandalöse Vorfall von Drasenhofen braucht nun wirklich nicht gleich politisch überbewertet zu werden; er mag sehr wohl bloß die Folge von Leichtsinn und Dummheit einerseits und von Nervosität und ängstlichem Übereifer anderseits gewesen sein. Aber wenn schon nicht in dem Ubergriff selbst, so doch in den schnippischen bis unverschämten Reaktionen der Tschechen auf Österreichs Proteste bekundet sich eine Geringachtung unseres Staates, und diese Gering-achtung muß doch wohl. Ursachen haben. Kann sie — so fragen wir

— nicht etwa daher rühren, daß wir durch den vor zwei Jahren initiierten Prozeß der Entmilita-risierung dem Ausland ein un-überhörbares Signal unserer schwindenden Selbstachtung geben? Ein Vorgänger von Kirchschläger im Außenamt hat für ein sehr starkes Heer auch mit diesem Argument plädiert, daß „eine schlagkräftige Verteidigungsorganisation auch dem neutralen Kleinstaat in Friedenszeiten ein nicht zu unterschätzendes Prestige gibt”. (Jener Außenminister übrigens hieß Bruno Kreisky.) Ist eine Grenzverletzung wie die von Drasenhofen, mitsamt den für Österreich beschämenden Folgen, also nicht schon symptomatisch für einen selbst verursachten, ja selbst verschuldeten Prestigeverfall?

Wie ernst — so fragen wir weiter, und unsere Frage richtet sich ganz konkret an alle Demolierer unserer staatlichen Sicherheit —, wie ernst also können Proteste überhaupt noch genommen werden, wenn einer sie vorbringt, der sich selbst aller Mittel begeben hat, die äußerstenfalls geeignet wären, eine Wiederholung oder gar Eskalation jenes Vorfalls zu verhindern, der den Protest ausgelöst hat? Jugoslawiens genialer Staatschef Tito meinte kürzlich, die internationale Stellung seines Landes sei trotz aller Komplikationen sehr gut, und zwar deshalb, weil Staat und Volk entschlossen seien, ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit zu verteidigen. Die österreichische Bundesregierung hingegen plädiert, und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch durch Taten, für Moskaus europäische Sicherheitskonferenz — und wundert sich dann darüber, daß Österreichs Grenzen nicht mehr sicher sind ...

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