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Ein bedeutender Denker

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Nemo propheta in patria ... dieses Bibelwort hat die Probe auf seinen . Wahrheitsgehalt in zwei Jahrtausenden ungezählte Male un­ter Beweis gestellt. Ein neues Bei­spiel gefällig? Der Österreicher Gerd-Klaus Kaltenbrunner.

Dieser Vordenker eines neuen eu­ropäischen Konservativismus hat weder auf Mister Reagan noch auf die heute vielzitierte „Tendenz­wende“ gewartet. Seit über einem Jahrzehnt macht er durch eine Rei­he von bedeutsamen geistesge­schichtlichen Publikationen in der Bundesrepublik Deutschland - und nicht nur in dieser - auf sich auf­merksam. In seiner Heimat jedoch ist er weitgehend ein „Geheimtyp“ geblieben. Die mangelnde Neigung der Österreicher zur Philosophie mag mit ein Grund sein.

Dazu kommt, daß man „rechts von der Mitte“ in Österreich stets wenig von politischer Theorie hielt, sondern auf das rechtzeitige Auftre­ten von „Schicksalsmännern“ (Lue­ger, Seipel, Raab) vertraute. Da aber gerade ein solcher Schicksals­mann sich gegenwärtig nicht am po­litischen Horizont zeigen will, wäre man hier gut beraten, sich u. a. mit Gerd-Klaus Kaltenbrunner und sei­ner Gedankenwelt etwas näher zu befassen.

Gelegenheit bietet nicht nur seine im Verlag Herder seit 1974 im Zweimonatsrhythmus erscheinende Taschenbuchserie „Initiative“, ein aktueller Anlaß ergibt sich durch die Vorlage des Ersten Bandes eines „Europa" betitelten Werkes, wel­ches die geistigen Quellen unseres Kontinents aus zwei Jahrtausenden sammeln und in Form einzelner Porträts vorzustellen bestrebt ist.

Was der Herausgeber, der gleich­zeitig auch der Verfasser der einzel­nen Beiträge ist, will, sagt er uns selbst in seiner Einleitung zum Er­sten Band:

„Nur einen eigenen Kopf zu ha­ben, genügt nicht. Wir bedürfen des hilfreichen Umgangs mit den Gei­stern der Vergangenheit, wir kön­nen nur um den Preis selbstver­schuldeter Borniertheit auf das ver­zichten, was uns an Denkweisen, Einsichten und Geistesrichtungen überliefert ist. Und so antwortet in diesem Band bald ein Aufklärer dem Romantiker, bald ein Seher dem Zweifler, ein Konservativer dem Revolutionär, ein Anarchist dem Hierarchisten. Epikur, Jakob Böhme und Ludwig Feuerbach, Hil­degard von Bingen, Torquato Tasso und Voltaire, Hobbes, Dostojewski und Josef Weinheber gehören zu der Geisterschar, die hier versammelt ist. Niemand ist ausgeschlossen, je­der von ihnen verkörpert eine Fa­cette jenes noch immer unver­brauchten Reichtums an Intelli­genz, Energie und Schöpfertum, den wir .Europa* nennen dürfen.“

Wahrhaftig: es wäre Zeit, einen denkstarken Mann wie es Gerd- Klaus Kaltenbrunner ist „heimzu­holen“. Zunächst in seinen Werken; besser aber noch auch ihn selbst.

EUROPA. Seine geistigen Quellen in Porträts aus zwei Jahrtausenden. Von Gerd-Klaus Kal­tenbrunner. Erster Band. Verlag Glock und Lutz. 1981.444 Seiten. öS 385.-

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