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Ein Monolog

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Systematisch werden in Ungarn die Anhänger und Sympathisanten des „aufmüpfigen“ Piaristen-paters György Bulänyi verunsichert und zum Schweigen gebracht. Der „politische Oppositionsgeist“, den der Erzbischof von Esztergom, Läszlö Paskai, als Grundmotiv des Handelns der von Bulänyi inspirierten Basisgemeinden bezeichnete, ist der eigentliche Ausgangspunkt aller Beschuldigungen gegenüber den Bulänyisten.

Und Paskai hat vollkommen recht: Bulänyi und seine Leute sind Oppositionelle, wenn man darunter eine kritische Auseinandersetzung mit den religions- und gesellschaftspolitischen Vorgaben des kommunistischen Systems versteht.

Paskai meint aber, daß die Zeit der Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat in Ungarn vorbei ist. Heißt das — und die Maßnahmen gegenüber den Bulänyisten scheinen das zu bestätigen —, daß eine kirchliche Kritik am Staat und seinen Handlungen verpönt und nicht mehr möglich sein soll? Die „Diskussion“ um den - noch immer ungelösten - „Fall Bulänyi“ in Ungarn verläuft sehr einseitig.

György Bulänyi hat sich deswegen jetzt neuerlich - unaufgefordert - an den Präf ekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, gewandt und auf seine prekäre Lage aufmerksam gemacht. Der Piaristenpater verweist in seinem Schreiben vom 15. Oktober darauf, daß er auf seinen letzten Brief an Kardinal Ratzinger (Weihnachten 1986) keine Antwort erhalten habe; daß aber sehr wohl die ungarische katholische Presse eine Stellungnahme der Glaubenskongregation gegen ihn und sein Manuskript „Kir-chenordnung“ veröffentlicht habe (FURCHE 33/1987). .Aus dieser Pressemitteilung konnte ich folgern, daß Sie den Ausdruck meiner Treue auch in meinem Weihnachtenbrief nicht für befriedigend schätzten“, schreibt jetzt Bulänyi unter Hinweis auf seine wiederholten Briefe nach Rom.

Er gibt sich enttäuscht, keine Möglichkeit der rechtzeitigen Äußerung erhalten zu haben; zudem kritisiert er, daß das Statement der Glaubenskongregation außer in Ungarn nirgendwo offiziell — also etwa in den Acta Apostolicae Sedis - veröffentlicht worden sei.

Bulänyi hebt in dem Brief seine „für das Evangelium“ erlittenen Leiden hervor und wendet sich gegen den Ausdruck „politischer Oppositionsgeist“ seitens Erzbischof Paskais für die pastorale Tätigkeit der Bulänyisten: „Würden wir wegen unserer pastoralen Tätigkeit in Zukunft wieder vor Gericht stehen, könnte der Staatsanwalt, sich auf diese erzbischöfliche Behauptung berufend, für uns Strafe fordern.“

Gleichzeitig wendet sich der Piarist gegen die Behauptung Paskais, er, Bulänyi, habe die Testprobe des Dialogs nicht bestanden. Das sei nur so möglich, heißt es in dem Schreiben an Ratzinger, „daß der Erzbischof .Dialog' sagt und .Gehorchenlassen' denkt“.

Bitter beklagt sich Bulänyi darüber, daß die seelsorgerische Tätigkeit der Bulänyisten - größtenteils im sozialen Bereich angesiedelt, man kümmert sich besonders um die Alkoholiker — seit der Veröffentlichung des Statements der Glaubenskongregation enormen Behinderungen ausgesetzt sei.

„Aus diesen konkreten Fällen“ - Bulänyi nennt einige beim Namen - „kann Eure Eminenz vielleicht klar sehen, daß nach der Publikation Eures Briefes die gemeinsame Bestrebung des Staates und unserer Bischöfe nicht milder wurde, die .Bulänyisten' aus dem Rahmen des kirchlichen Lebens zu verdrängen.“

In diesem Zusammenhang versucht Bulänyi, seine Treue „zum drittenmal zu bekennen“. Unter Bezugnahme auf einen Ratzinger-Brief vom September 1986 und unter Benützung der darin vorgelegten Formel bekundet Bulänyi seine Bereitschaft, alles nicht mehr vertreten zu wollen, was in seiner „Kirchenordnung“ im Gegensatz zur kirchlichen Lehre stehe.

Abschließend bittet Bulänyi Kardinal Ratzinger, nichts gegen eine eventuelle Veröffentlichung seiner Schriften und auch des Briefwechsels zwischen ihm, Bulänyi, und der Glaubenskongregation zu unternehmen; weil nichts Gutes für die Kirche entstehen könne, wenn sich ein „Verurteilter“ nicht öffentlich wehren kann.

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