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Eine Kirche der Angst?

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Der Autor ist Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ und Vizepräsident der Katholischen Aktion in der Diözese Graz-Seckau

Die Angst geht um in der Welt. Das ist gar nicht verwunderlich, denn Kriegshetzer und Terroristen und Folterknechte haben in unserer Zeit gute Tage.

Die Angst geht auch in der Kirche um.

Auch das kann zunächst nicht verwundern. Denn Kirche lebt ja nicht irgendwo im Niemandsland, Kirche ist immer in der Welt. Ausgesetzt allen Versuchungen, allen Gefahren.

Erstaunlich ist nur, daß so viele Christen vergessen haben, was uns in der Schrift gesagt wird: Wir mögen nicht ängstlich besorgt sein. Und doch lassen sich nicht wenige Christen von der Gegenwart Angst einjagen.

Dabei müßten sie doch wissen, daß Kirche nie ein Glassturz war, schon gar nicht eine Käseglocke.

Kirche ist immer in die jeweilige Zeit hineingesendet, hineingestellt, ja, hineingeworfen.

Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils fand dafür die unvergeßliche Formulierung, Freude und Hoffnung, Bedrängnis und Trauer der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, seien zugleich auch Freude und Hoffnung, Trauer und Bedrängnis der Jünger Christi.

Heute werden wir dafür beim Wort genommen. Denn jeder, der sich mit anderen freut, mit ihnen trauert, gerade mit den Armen und Bedrängten aller Art (wieviele Christen versuchen dies wirklich und in der Tat?), der setzt sich zwangsläufig Erschütterungen und Irrwegen und Zweifeln aus.

So wächst die Angst in der Kirche, die Carlo Carretto als trauriges Zeichen dafür deutet, daß uns der Glaube an Christus, den Auferstandenen, den Herrn der Geschichte, ausgegangen ist, daß diese unsere nachkonziliare Kirche Gefahr läuft, als „Kirche der Angst“ in die Geschichte einzugehen. Angst ist jedoch alles andere als eine christliche Tugend. Angst ist der schlechteste Ratgeber, den es geben kann.

Angst läßt uns die Stärke der Schrift und ihrer Verheißungen übersehen, sie läßt uns Zuflucht nehmen bei starken Worten, die oft hohl sind. Angst läßt uns die Läden wieder dichtmachen, die wir unter dem guten Papst Johannes mühsam genug geöffnet haben. Angst läßt uns überall Häretiker und

Zersetzer wittern. Angst kann uns dahin bringen, daß wir den eisernen Besen wieder aus der Ecke holen, daß wir Andersdenkende zum Schweigen oder auf eine einheitliche Meinung vergattern wollen. Angst verleitet uns, auf äußere, nicht in erster Linie auf innere Sicherheiten zu bauen. Angst verschüttet den eigentlichen Gehalt der frohen Botschaft, die wir weitertragen sollen.

In dieser Weltstunde ist der gegenwärtige Papst ein Geschenk für die Kirche. Er mahnt nicht zur Zuversicht, er strahlt Zuversicht aus. Er redet nicht nur über den

Glauben, sondern lebt ihn augenscheinlich. Er nimmt die Hoffnung nicht, sondern gibt sie.

Dieses Geschenk dürfen wir nicht vergeuden, indem wir unsere Ängste pflegen und den Papst allein lassen. Ein zuversichtlicher Papst ist zuwenig, wenn er eine Kirche der Angst um sich weiß.

So sind wir alle miteinander gerufen, der Versuchung der Angst zu widerstehen und ihr die unbekannteste der Tugenden entgegenzusetzen: das Mysterium der Hoffnung. Charles Peguy zeichnet die Hoffnung als kleines, aber verheißungsvolles Kind: „All das, was wir tun, was alle Welt tut, alles geschieht für die kleine Hoffnung. Aus ihr spricht Verheißung und verborgene innere Zuversicht. Die Unschuld der Hoffnung. Alles, was in der Welt vor sich geht, geschieht nur für sie.“

Nicht die Fratze der Angst, nicht die laute Gebärde einer falschen Sicherheit, nicht das Pathos einer neuen Ideologie, nein, aber wenigstens ein Funke dieser Hoffnung sollte in unserer armseligen Nachfolge aufleuchten.

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