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Wider die Angst
Angst geht um. Damals vor 2000 Jahren unter der verwirr- ten Jüngergemeinde nach dem Tode Jesu. Heute in einer rein weltlich denkenden Gesell- schaft, aber auch in Kreisen der katholischen Kirche.
Damals hatte man Angst um Äußerlichkeiten wie etwa um das Grab: Wer wohl den Stein wegwälzen werde? Wo man den Leichnam hingetragen habe? Scheinbar hatte man mehr Angst um den Toten, als Hoff- nung, er sei schon auferstan- den. Man hatte Angst vor je- nen, die Jesus töteten und zog sich hinter verschlossene Tü- ren zurück.
Angst machte, daß man nun, von Jesus verlassen, auf eige- nen Füßen stehen mußte. Angst machte der Umgang mit den Heiden, die nun Christen wer- den wollten. Angst machte die große Welt, in die man als Ver- künder nun hinausziehen soll- te. Die Angst war so groß, daß der Auferstandene mehrmals mahnen mußte: „Fürchtet euch doch nicht!"
Die Angst war ausgelöst durch den Schock des Kreu- zestodes Jesu. Sie schwindet erst mit der Sendung des Heili- gen Geistes. Da wurde die jun- ge Kirche mutig und wagte sich hinaus in alle Bereiche der Welt.
Seither ist viel Zeit vergan- gen. Bald war die Kirche tapfe- rer, bald ängstlicher. In unse- rer Zeit hat die Kirche auf dem II. Vatikanischen Konzil ein besonderes Zeichen des Mutes im Vertrauen auf den Heiligen Geist gesetzt. Mut zur Selbst- kritik und eigener Erneuerung. Mut zu neuen Ansätzen in der Theologie. Mut zur Hinwen- dung zu den „Bruderkirchen". Mut zur Öffnung hin zur Welt.
Heute aber gleichen gewisse Kreise in der katholischen Kirche wieder jener ängstli- chen Jüngerschar vor Pfing- sten. Sie haben Angst vor Neu- em in Theologie und Liturgie und wollen am liebsten zu dem zurück, was ehedem war. Sie haben Angst vor eigener Ver- antwortung und dem Verweis auf das Gewissen. Sie haben Angst vor zuviel Mitsprache der Laien in der Kirche, die wohl raten, aber nur sehr begrenzt mitbestimmen sollten. Sie ha- ben Angst, wenn theologisch gut gebildete Gläubige auch fallweise predigen wollen.
Angst macht manchen die große Zahl von „Laien", die Theologie studieren. Werden sie später an den Universitäten auch noch dozieren wollen? Gewisse Kreise haben Angst, daß wachsende Ökumene nicht zur Einheit, sondern eher zu Indifferentismus führen könn- te. Daß der vorurteilslose Dia- log mit der Welt den Eindruck erwecken könnte, die Kirche gäbe wenigstens teilweise ih- ren Anspruch auf Lehrautori- tät auf.
Ob wir uns heute in der Kir- che nicht auch manchmal zu- viel mit dem Grab beschäftigen und zuwenig mit dem Aufer- standenen? Dieser aber bringt uns nicht nur den Frieden, sondern will uns auch von aller Angst befreien.
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