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Ethik und Kirche in Ungarn

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Auch in einem kommunistischen Land soll man „Vater und Mutter ehren“, aber nicht mit dem Motiv, „damit du lange lebest auf Erden“. Auch in einem kommunistischen Land soll man die Wahrheit sagen, aber nicht aus Prinzip, sondern um des Wohls der Gemeinschaft willen. Ethik in einer kommunistischen Gesellschaft versteht sich politisch (im Dienst des Kommunismus), historisch (Produkt der Evolution, Menschenwerk), utilitaristisch (gut ist, was dem Klassenkampf nützt), totalitär (läßt keinen Pluralismus zu) und zweckorientiert (was dem Zweck nicht dient, wird bekämpft).

Das alles kann man nachlesen in einem mit wissenschaftlicher Akribie erarbeiteten, mit vielen Quellenangaben ausgestatteten Buch in deutscher Sprache, das einen Beitrag von Eszter Ga-brielle Bänffy über „Marxistische Ethik in Ungarn“ und eine Antwort darauf von Karl Rahner über „Christlichen Humanismus“ enthält.

Das 186 Seiten starke Werk ist ein Musterbeispiel für die interessanten Publikationen des Ungarischen Religionssoziologischen Instituts (UKI), das unter der Pa-tronanz von Bischof Stefan Läszlö seit 1957 in Wien Dokumentatio-

henden auf praktischer Ebene entwickeln sollte. Dies erscheint nun wie ein Versuch, den Karren vor das Pferd zu spannen. Um so intensiver ist man deshalb bestrebt, in den verschiedensten Bereichen eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, die letztlich größere politische Lösungen ermöglichen sollte.

Vertrauen ist in diesem Zusammenhang kein abstrakter Begriff. Der Ausdruck „Vertrauensbildende Maßnahmen“ scheint zum ersten Mal in den „Schlußempfehlungen der Helsinki-Konsultationen“ auf, mit denen die Delegationen von 35 Staaten 1973 die grundsätzlichen Vorbedingungen für die KSZE, die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, geschaffen hatten.

Daß sich die bisher beschlossenen Maßnahmen bewährt haben, wird allgemein bejaht. Sie sind aus politischer Entscheidung hervorgegangen und werden im militärischen Bereich wirksam. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und Mißerfolge erweisen sie sich immer mehr als ein brauchbares politisches Instrument, das sich langsam, aber sicher durchzusetzen beginnt.

Auch General Wilhelm Kuntner, einer der österreichischen Delegierten bei der Europäischen Sicherheitskonferenz in Helsinki und bei der Belgrader Nachfolgekonferenz, ist dieser Ansicht. Bei beiden Tagungen hatte sich der österreichische General zusammen mit den Vertretern anderer neutraler und blockfreier Staaten besonders intensiv für die Verabschiedung „Vertrauensbildender Maßnahmen“ engagiert.

Damit ist General Kuntner aber nicht zufrieden. So warnte er in einem Vortrag im Institut für Friedensforschung: „Wenn nicht bald weitere .Vertrauensbildende Maßnahmen' verabschiedet werden, kann derProzeß der europäischen Entspannung erlahmen.“

(Die Autorin arbeitet am Institut für Friedensforschung der Universität Wien)

nen und Gutachten über kirchensoziologische Themen zusammenträgt, Forschungsarbeiten wissenschaftlich unterstützt und eine reichhaltige Bibliothek anbietet.

Ein zweites Buch trägt den Titel „Die Wallfahrt in Ungarn“ und enthält von Jenö F. Bangö nach einer Erläuterung des Phänomens Wallfahrt und einem geschichtlichen Überblick eine detaillierte Beschreibung von 50 Wallfahrtsorten in Ungarn mit einer soziologischen Bewertung zeitgenössischer Wallfahrtsteilnahme und -motivation. (An Festtagen werden jeweils 5000 bis 8000, in „überregionalen“ Wallfahrtsorten bis zu 15.000 Pilger gezählt!)

Bescheidenerweise lehnen es Institutsleiter Dr. Emmerich Andräs SJ und seine Mitarbeiterin Dvw. Julianna Ujväry ab. Gültiges über kirchliche Verhältnisse „im Ostblock“ auszusagen: Die Situation ist von Land zu Land zu verschieden. Gewisse Verallgemeinerungen (wie etwa im Fall der marxistischen Ethik) sind aber sicher zulässig und erhöhen den Wert solcher Veröffentlichungen.

Beide Bücher (ä S 120,—) und andere interessante Publikationen sind zu beziehen beim Ungarischen Kirchensoziologischen Institut in 1140 Wien, Linzer Straße 263/18, Tel. (0222) 94 21 89.

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