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Ferialpraxis für Salcher
Stephan Koren handelte sich mit seinen düsteren Prognosen den Spitznamen „Kassandra“ und einen schlechten Ruf als Prophet ein, weil die Österreicher subjektiv das Gegenteil seiner Vorhersagen erlebten: Es ging ihnen von Jahr zu Jahr besser.
Die Betonung liegt auf subjektiv. Alle Analysen des brillanten Denkers Koren hatten nämlich nur einen „Makel“: Sie wurden zu einem Zeitpunkt erstellt, wo sich hinter den Kulissen für einige Wenige das Disaster abzuzeichnen begann, wo es aber vor den Kulissen noch mühelos gelang, die Entwicklung zu übertünchen und die Rufer in der Wüste der Ignoranz/lächerlich zu machen.
Das hängt uns bis heute, jetzt, da der Wolf wirklich gekommen ist, nach. Das p.t. Publikum ist eher geneigt, der Version „Tata-
renmeldungen“ Karl Blechas als der Version des VÖEST-Gene- raldirektors Heribert Apfalter („Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“) zu folgen. Motto: „Es ist zwar schon sehr viel passiert (VEW, Eumig, Funder usw.) - passiert ist uns aber immer noch nichts.“
Der Umstand, daß sich die öffentlich manifestierten Krisenerscheinungen ausschließlich auf Großbetriebe beschränken und bislang durch staatliche Hilfe aufgefangen werden konnten, verdrängte erfolgreich die Überlegung aus unserem Bewußtsein, daß das Herz der österreichischen Wirtschaft aus Klein- und Mittelbetrieben besteht, die mit Krisenerscheinungen alleine fertigwerden müssen.
Uber deren Lage scheint man sich aber in der Regierung noch herzlich wenig den Kopf zerbrochen zu haben. „Für viele ist die einzige Rettung ein guter Herbst - aber der kommt nicht!“ charakterisierte ein mittelständischer Unternehmer dieser Tage die Situation im Gespräch mit mir. Und ein Funktionär des SPÖ-nahen Freien Wirtschaftsverbandes erzählte kopfschüttelnd, wie wenig Staribacher & Co wissen, was „an der Front“ wirklich los ist: „Sonst hätten’s den Dallinger schon längst zum Teufel gejagt und andere Sorgen als die Rechnungslegungspflicht.“
Beispielsweise werde, so der zitierte Funktionär, die Sache mit den Schwarzgeschäften völlig falsch gesehen. Im Baunebengewerbe seien Arbeitskräfte für einen dringenden Arbeitseinsatz am Wochenende nur „schwarz“ zu bekommen, weil sie steuerlich gegenüber dem „regulären“ (= nicht über eine Firma laufenden) Pfusch nicht schlechter gestellt sein wollen. „Den Steuerdruck tun’s immer als Erfindung der Opposition oder der Großverdiener ab, in Wirklichkeit laufen schon die Hilfsarbeiter vor ihm davon!“
Zwischen Boden- und Neusiedlersee gibt es also offenbar einiges, was sich Bruno Kreisky und Herbert Saldier nicht träumen lassen. Vielleicht sollten die Herren vor Erstellung des nächsten Wirtschaftsprogramms ein Monat Ferialpraxis beim nächsten Installateur machen.
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