6874764-1978_40_07.jpg
Digital In Arbeit

Friede stiften durch gewaltfreies Handeln!

19451960198020002020

Friede ist das Generalthema des Delegiertentages der Katholischen Männer- und Frauenbewegung, Arbeiterund Landjugend der Diözese Linz am kommenden Wochenende. Was bedeutet dies in der Praxis des Alltags? Dazu ein Wort des bekannten oö. Erwachsenenbildners und KA-Assistenten Rektor Karl Wild:

19451960198020002020

Friede ist das Generalthema des Delegiertentages der Katholischen Männer- und Frauenbewegung, Arbeiterund Landjugend der Diözese Linz am kommenden Wochenende. Was bedeutet dies in der Praxis des Alltags? Dazu ein Wort des bekannten oö. Erwachsenenbildners und KA-Assistenten Rektor Karl Wild:

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man von Gewaltlosigkeit spricht oder schreibt, muß man damit rechnen, daß ein Hörer oder Leser in Versuchung gerät, mit seinem Zeigefinger die Stirne anzurühren, um zu sagen: Erinnern Sie sich denn nicht mehr an die Panzer, die 1956 in Budapest einmarschiert sind, an die Panzer, die 1968 den Prager Frühling beendet haben? Erinnern Sie sich nicht mehr an die Stiefel der Hitlerschen SS? Denken Sie nicht an die Kerker Argentiniens, an die Konzentrationslager in Ost und West? Was wollten Sie in diesen Situationen mit gutem Zureden erreichen?

Ich gestehe, daß ich es nicht weiß, wie in solchen Situationen Friede geschaffen werden könnte. Ich glaube auch, daß, wenn zwei Raufbolde sich eben prügeln, man diesen Krieg wahrscheinlich nicht mit Zureden beenden kann, sondern dadurch, daß man die beiden mit Gewalt voneinander trennt.

Aber es gibt viele Gelegenheiten, in denen man Frieden stiftet, Frieden sichert, wenn man genau keine

Gewalt anwendet. Wenn in der Schule der Professor einem Schüler eine Nachprüfung aufbrummt, wo es anders auch gegangen wäre, oder wenn ein Schüler dem Professor, der bis gegen Ende des Schuljahres mit seiner Klasse fleißig arbeiten möchte, höhnisch sagt: „Sie können mir nichts mehr tun, sie können michnicht mehr durchfallen lassen, ich kenne meine Note, darum schaue ich keine Aufgabe mehr an bis zum Ende dieses Schuljahres“ -dann kann nicht Friede und ein gutes Verhältnis geschaffen werden zwischen den Schülern und den Professoren.

Das eine Mal hat der Professor, das andere Mal der Schüler Gewalt angewendet und den Frieden zerstört. Wenn eine Musikprofessorin in der Ubungsstunde ein Mädchen, von dem sie weiß, daß sie kein Gehör hat, beim Allemsingen übergeht, weil sie weiß, daß dieses Mädchen sich vor der ganzen Klasse blamieren würde, dann hat sie Frieden gestiftet.

In einem Betrieb klagt eine Arbeiterin ihrer Kollegin: „Die da oben tun doch mit uns, was sie wollen!“ Sie ist zu einer neuen Maschine versetzt worden, die eine große Feinarbeit verlangt. Sie selbst weiß es -und der Werkmeister weiß es auch -, daß sie Feinarbeit einfach nicht fertigbringt, trotz Fleiß und gutem Willen.

Es gibt eben Mächtige und Ohnmächtige im Betrieb. Die Ohnmächtige hier ist die Arbeiterin, betrübt muß sie sich beugen, muß eine Lohnverminderung in Kauf nehmen, ohne daß sie zu dieser neuen Stelle auch nur ein Wort

hätte sagen können. Stört nicht solches Vorgehen den Frieden.

Als in Österreich die Brennstäbe für Zwentendorf eingeflogen worden sind, hat viele Menschen heftiger Groll erflßt, obwohl wahrscheinlich keine illegale Handlung gesetzt worden ist. Alle Gegner von Zwentendorf- und diese Menschen sind Staatsbürger, gehören zum Souverän Staatsvolk - fühlen sich gekränkt. Sie fühlen, daß es im Staat eben auch. Mächtige und Ohnmächtige gibt.

Wenn die Brennstäbe nun in Zwentendorf lagern, ist das ein Grund mehr, Zwentendorf doch in Betrieb zu setzen! Die Ungleichgewichtigkeit der Argumentation, die ja ohnedies schon vorhanden ist, weil die Pro-Argumentierer über -zig Millionen verfügen, die Kontra-Argumentierer im allgemeinen keine Reichen und keine Mächtigen sind, wird noch weiter verstärkt.

Der Friede zwischen dem zuständigen Ministerium und den Bürgern, die legitim sich gegen Zwentendorf stellen, wird durch solches

Tun nicht gefordert. Hier hat eine Mächtige gehandelt ohne Rücksicht auf die Betroffenen, ohne Rücksicht auf Emotionen. Das scheint besonders gefährlich zu sein, weil niemand weiß, wie lange es dauert, bis Emotionen explodieren. Was würde eine Regierung dann tun? Die Sache Zwentendorf sollte von den Mächtigen - Kapital, E-Wirtschaft, Regierung - mit großer Vorsicht angegangen werden.

Auch zwischen Eltern und Kindern kann Friede nicht mit Gewalt hergestellt werden. Wenn Vater und Mutter ihren Kindern so viel freie Entscheidung möglich machen, wie Kinder ihrem Alter entsprechend verkraften können, wenn sie Fragen, Probleme (Kleidung, Frisur, Freundschaft, Tanz, Reisen, Schule) in Ruhe besprechen, Argumente erwägen, dann kann Friede gesichert werden.

Mag sein, daß es Bereiche gibt, in denen Friede mit Gewalt erzwungen werden kann. In den Bereichen Gesellschaft, Schule, Betrieb, Familie schafft Gewalt keinen Frieden, höchstens Friedhofstille. Ohne Gewalt aber, mit Gespräch, mit Argumentation, mit Konferenzen, in Achtung vor der einzelnen Menschenpersönlichkeit, der menschlichen Würde, kann in vielen Belangen Frieden gestiftet und Frieden erhalten werden.

Das zeigt uns die Erfahrung. Wir wissen auch von Jesus, daß er in vielen Fragen gewaltlos gehandelt hat, selbst dann noch, als es für ihn um Leben oder Tod ging. Es gibt einen Weg zum Frieden in vielen Belangen unseres Lebens, und dieser Weg heißt gewaltfreies Handeln.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung