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Geistliches Amt
„Was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, schon zum Priester, Bischof und Papst geweiht zu sein, obwohl es nicht einem jeden ziemt, solch ein Amt zu üben.“ Mit dieser pointierten Zuspitzung hat Luther im biblisch-reformatorischen Sinn das .allgemeine Prie-stertum aller Gläubigen“ gefordert.
Jeder Christ ist also grundsätzlich zuständig und verantwortlich für alles, was in der Kirche geschieht. Niemand, nichts darf ihn dabei bevormunden. Christliche Verantwortung kann nach reformatorischem Verständnis nur demokratisch delegiert werden—und unterliegt dann auch demokratischer Kontrolle.
Jeder Christ hat also priesterlichen Charakter. 1. Petrusbrief 2/9 formuliert dieses biblische Verständnis Jclassisch“: ,Jhr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk des Eigentums, damit ihr die herrlichen Taten dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat.“
In dieser Tradition fragt der Kirchenvater Tertullian: .JSind nicht auch wir Laien Priester?“ und fordert damit die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Christen im Sinn eines demokratisch-revolutionären Prinzips. Von da an werden die .JKetzer“ immer wieder nach dem .allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“ fragen.
Die ,J£etzer“ eben — das zeigt an, was für ein Trend sich allmählich herausgebildet hat: Das „besondere“ Amt gewinnt immer mehr an Gewicht, und die „Gemeinde“ verliert an Bedeutung. Im Extremfall hat das bis zur Verachtung der Gemeinde geführt oder zu einer Art „Gouvernantenwahn“ der Mutter Kirche.
Die Monopolisierung geistlicher Verantwortung auf einen ganz bestimmten Personenkreis hat dann einen „character indelebilis“ der Priester geschaffen, der beinahe vergessen ließ, daß es nur einen „unzerstörbaren Charakter“ des Menschen gibt, nämlich seine Gottes-kindschaft.
Natürlich unterscheidet Luther verschiedene Dienste in der Gemeinde: „Wir sind allesamt Priester, so viele wir Christen sind. Die aber, die wir Priester nennen, sind von uns erwählte Diener, die in unserem Namen alles tun sollen — und ihr Priestertum ist nur ein Dienst... Und wenn einer nicht mehr predigen und dienen kann oder will, so tritt er wieder in den allgemeinen Haufen zurück, befiehlt sein Amt einem anderen und ist nichts anderes als jeder gewöhnliche Christ.“
Nach reformatorischem Verständnis ist also die Taufe die Priesterweihe“ für das allgemeine Priestertum aller Gläubigen.
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