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Geschäfte mit Privatkittchen

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Pfiffige Amerikaner fanden eine profitable Marktlücke. Sie betreiben für Behörden, welche sich kein eigenes Kittchen leisten können, Privatgefangnisse. Der Sherif f von Amarillo, Texas, legte z. B. nach 30 Dienstjahren die Amtspflichten nieder, um in die freie Wirtschaft hinüberzuwechseln.

T. L. Baker leitet nunmehr die — auf Gewinn gerichtete — Palo Du-ro Private Detention Services

Inc., welche in Mineral Wells, Texas, ein Auffanglager für 600 illegale Grenzgänger betreibt.

Nicht nur pensionsreife Ordnungshüter, sondern auch angesehene Aktiengesellschaften und Unternehmer aller Art erproben das Geschäft mit den schwedischen Gardinen.

Die RCA Services Co., eine Tochter des mächtigen Konzerns RCA, betreibt beispielsweise seit sieben Jahren Jugendhaftanstalten für den Bundesstaat Pennsylvania. Ihr 900.000-Dollar-Kontrakt (17 Millionen Schilling) ergab im Vorjahr einen Gewinn von 40.000 Dollar.

Die Control Data Corporation, die mit 4,6 Milliarden Dollar Umsatz den 76. Rang in „Fortunes Elefantengarde" (Liste der größten Unternehmen) einnimmt, bereitet Gefangenenhausprojekte für mehrere Bundesstaaten vor. Die Correctional Corporation of America in Nashville, Tennessee, betreibt in Houston, Texas, ein Auffanglager für illegale Einwanderer, die über die Grenze abgeschoben werden. Sie finanzierte und errichtete das Lager mit einer Kapazität von 350 Betten in knappen sieben Monaten.

Der US Immigration and Natu-ralization Service vergütet 24 Dollar pro Tag und Häftling. Das sind 30 Prozent weniger als die Haftkosten in einem INS-eigenen Lager. Dennoch erwirtschaftet die erst im Vorjahr gegründete Gesellschaft genug Gewinn, um rasch weiterzuwachsen.

Die mit 25 Millionen Dollar kapitalisierte Correctional Corporation of America betreibt bereits eine Jugendstrafanstalt in Memphis, Tennessee, und verhandelt bezüglich 20 weiterer Projekte in verschiedenen Bundesstaaten. Diese Gesellschaft bereitet den Gang an die Börse vor.

T. Don Hutto erlernte als Gefängnisdirektor in Arkansas und Virginia sein Metier. Als Vizepräsident der Gesellschaft rechnet er mit einer um zehn bis 25 Prozent günstigeren Kostenstruktur. Bedarfsgerechte Neubauten erfordern laut Aussagen von Hutto nur einen Bruchteil der Zeit, den staatliche Gefängnisbauten beanspruchen. Er spricht von sechs bis zwölf Monaten, statt der beim Staat üblichen drei bis fünf Jahre. „Wir können nämlich flexibler planen als schwerfällige Behörden."

Broker und Investmentbanker vergleichen die Situation mit dem Entstehen der großen Spitalsketten und rechnen mit einer Gefängnisgründungswelle, der schon in Kürze Branchenkonzentration folgt. Beamte der Justizverwaltung verfolgen die Entwicklung mit gemischten Gefühlen.

Einerseits befürchten sie den Wettbewerb mit besser gemanagten Gefängnisbetriebsgesellschaften, die ihre , Mitarbeiter nicht zum Gewerkschaftstarif bezahlen, sondern nach eigenem Ermessen heuern und wieder feuern dürfen und daher auch billiger wirtschaften.

Andererseits aber beschritten die Ordnungshüter in gewissen Landkreisen gerne den Umweg über die Privatwirtschaft, wenn ihnen das Budget für notwendige Gefängnisneubauten verweigert wurde.

Innovative Leasing- oder Kaufverträge umgehen die mühevolle und zeitraubende Befragung der Volksvertretung, wenn nicht gar des Wahlvolkes, wenn ein neues Gefängnis errichtet werden soll. Jefferson County, Colorado, ver-

weigerte z. B. zweimal eine Erhöhung der Umsatzsteuer, durch die 30 Millionen Dollar für einen Gefängnisbau hätten aufgebracht werden sollen.

Darauf plante Steve Binder, ein Leasing-Spezialist von E. F. Hutton eine marktwirtschaftliche Alternative. Freilich verrechnen Unternehmen, die auf eigenes Risiko Gefängnisse errichten, eine angemessene Prämie. Sie verteuert den Gefängnisbetrieb beträchtlich und forderte verschiedene Anfechtungsklagen heraus.

Mitunter muß der kurzfristige Betriebsvertrag alljährlich erneuert werden, damit der kontrahierenden Behörde oder Gebietskörperschaft keine langfristige Verbindlichkeit entsteht, die sie aus Eigenem gar nicht eingehen dürfte.

Privatisierung von Gefangenenhäusern wirft viele grundsätzliche Fragen auf. Wer haftet etwa für neue Schandtaten von Ausbrechern? Ladet Privatisierung nicht letztlich zur Errichtung von Luxusbleiben für wohlhabende Wirtschaftsverbrecher ein?

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