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Heil, nicht Horror

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„Millionen Menschen werden von einer Minute zur anderen umkommen, Ozeane werden ganze Erdteile überschwemmen… die Lebenden werden die Toten beneiden …“ Dies sei ein Auszug aus dem dritten Geheimnis von Fatima. Angeblich. Wer solches liest, kommt leicht zum Schluß: Fatima - nein, danke. Haben solche Horror-Visionen überhaupt etwas mit den großen Marienerscheinungen von 1917 zu tun? Zunächst zum theologischen Standort von Fatima: „Privatoffenbarungen sind in ihrem Wesen ein Imperativ, wie in einer bestimmten geschichtlichen Situation von der Christenheit gehandelt werden soll; sie sind wesentlich keine neue Behauptung, sondern ein neuer Befehl.“ (Karl Rahner)

Was ist nun die Forderung von Fatima? Ich möchte sie in drei Punkten zusammenfassen. Im Zentrum der Botschaft von Fatima steht Gott; Gott, den viele Menschen nicht ernst nehmen. Und genau das ist die Sünde, die Beleidigung Gottes. So lautet das letzte Wort der Erscheinung: „Die Menschen sollen aufhören Gott zu beleidigen, der schon zu viel beleidigt ist.“ Jesus Christus „ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere, sondern auch die der ganzen Welt“ (1. Joh 2,2). Fatima weist darauf hin, daß jeder Christ mit seinem Herrn den Dienst der Sühne leisten soll. So wie es der Apostel Paulus versteht: „Ich ergänze in meinem Leben, was an den Leiden Christi noch fehlt…“

„Jeder ist ein Erlöser“ , sagte Francois Mauriac.

Immer war das Leid ein schweres Problem für den Menschen. Vielleicht empfindet der Mensch der Wohlstandsgesellschaft dieses Problem besonders quälend. Der Gedanke der Stellvertretung und Sühne kann helfen, Leid zu bewältigen, weil es sinnvoll wird. NatürlichkönnenGebetund Opfer nicht davon dispensieren, zu prüfen, ob wir selbst für die Menschen nicht Stolpersteine auf dem Weg zu Gott sind. Gebet - Opfer -Nachdenken könnten zu einem Glaubensaggiornamento führen. • Was denken wir, wenn beim

Gottesdienst die harten Worte der Propheten verlesen werden? Reminiszenzen einer längst vergangenen Zeit? „Der gegenwärtige Zustand der Welt ist ja dadurch bestimmt, daß dem göttlichen Anspruch auf Alleinherrschaft widergöttliche Mächte, ja eine kompakte Macht der Sünde entgegentritt und Gottes Recht im titanischen Kampf in Frage zu stellen wagt. Der Schauplatz aber, auf dem sich dieser Kampf entscheidet, ist die Geschichte.“ (Walther Eichrodt)

Dies gilt — und darauf weist uns Fatima besonders hin - nicht nur für die Zeit vor Christus, sondern ebenso heute. Die Sünde, aber ebenso die Bekehrung haben also eine politische Dimension, innerweltliche Folgen. Deshalb mahnt Fatima auch zum Gebet für den Frieden. Und es ist gewiß nicht ohne Bedeutung, daß die Erscheinungen gerade 1917, einem Entscheidungsjahr des 20. Jahrhunderts stattfanden (Russische Revolution - Eintritt Amerikas in den Ersten Weltkrieg).

Ist es nicht äußerst wichtig, auf den schon von den Propheten aufgezeigten Hintergrund der Geschichtsentwicklung hinzuweisen? Gerade heute, wo Politikern, Wirtschaftskapitänen und Technokraten die Probleme über den Kopf wachsen? Wo sich die Angst vor der Zukunft breitmacht? • Fatima weist unmißverständlich auf Maria, die Mutter Jesu, hin. Die Uberzeugung der Kirche ist, daß sich die Aufgabe Mariens nicht mit ihrem Dienst am irdischen Jesus erschöpfte. Sie fährt in der Vollendung fort, „uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken“ , wie das Konzil lehrt.

Kann die Kirche, kann der einzelne Christ der Fürbitte Mariens entraten? „Jesus wäre ohne diese Frau nicht Mensch geworden. Wer Maria as dem Gottesdienst, den Gebeten, dem Choral und faktisch aus der gesamten Spiritualität ausschließt, der zahlt einen hohen Preis.“ So ein evangelischer Kirchenmann.

Und was ist nun mit dem sogenannten dritten Geheimnis von Fatima? Wie wir aus verläßlicher Quelle wissen, teilte Papst Johannes XXIII. bei einer Privataudienz mit, daß der noch unveröffentlichte Teil der Fatimabot-schaft nichts wesentlich Neues enthalte und keineswegs zu düsteren Prognosen Anlaß gäbe.

Das Wesentliche der Botschaft, die die drei Hirtenkinder Luzia, Francisco und Jacintą vom 13. Mai bis 13. Oktober 1917 in sechs Erscheinungen erhalten haben, ist veröffentlicht. Es stellt ejnen Imperativ dar, der für Kirche und Welt von unabschätzbarer Bedeutung ist.

Der Autor ist Franziskaner und Geistlicher Leiter des Rosenkranz-SOhne-Kreuzzuges.

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