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Hochschule mit Idealausstattung Können wir sie uns leisten?

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Vor zehn Jahren gebar Unterrichtsminister Piffl-Percevic die Idee, in Klagenfurt eine Hochschule für BildungsWissenschaften zu errichten. Stadt und Land Kärnten halfen tatkräftig - und großzügig - mit. Den ersten Spatenstich konnte schon Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg vornehmen. Nun, vor wenigen Monaten, am Beginn des neuen Studienjahres, wurde das neue Hauptgebäude der Universität Klagenfurt seiner Bestimmung übergeben. Seither können 900 inskribierte Studenten—so viele waren es im Sommersemester 1977 - an Österreichs kleinster Hochschule in Räumlichkeiten arbeiten, in denen sie sich wie in einem Luxus-Kongreßzentrum vorkommen.

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Vor zehn Jahren gebar Unterrichtsminister Piffl-Percevic die Idee, in Klagenfurt eine Hochschule für BildungsWissenschaften zu errichten. Stadt und Land Kärnten halfen tatkräftig - und großzügig - mit. Den ersten Spatenstich konnte schon Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg vornehmen. Nun, vor wenigen Monaten, am Beginn des neuen Studienjahres, wurde das neue Hauptgebäude der Universität Klagenfurt seiner Bestimmung übergeben. Seither können 900 inskribierte Studenten—so viele waren es im Sommersemester 1977 - an Österreichs kleinster Hochschule in Räumlichkeiten arbeiten, in denen sie sich wie in einem Luxus-Kongreßzentrum vorkommen.

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Der Besucher ist zunächst von einer ansprechend modernen Architektur und der Großzügigkeit der parkartigen Anlage - viel Grün, viele Park-, platze - sowie der unmittelbaren Seenähe beeindruckt und laßt sich gerne damit für den langen Anmarschweg vom Stadtzentrum entschädigen. Es wurde hier das verwirklicht, was man in Frankreich - da dort seit dem Krieg praktiziert - heute bereits bereut: die völlige Isolation der „Cites universitäres“ von der Bevölkerung. Eine Subkultur - wenn überhaupt eine -mit eigenem intellektuellem sowie auch getrenntem Freizeitleben, das keinerlei Verbindung zum Leben der Stadt hat.

Auch in der südlichsten Landeshauptstadt ist dieses Phänomen schon jetzt aufgetreten. Antworten auf eine Umfrage unter Klagenfurtern fielen dahingehend aus, daß man in der Stadt eigentlich keine Studenten sähe; auch war die Existenz einer „eigenen“ Universität durchaus kein allgemeinverbreitetes Wissen.

Aber zurück zum Ort des Geschehens. Sehr lobend betrachtet der Besucher die Einrichtungen für Gehbehinderte: eine breite Auffahrtsrampe, breite Aufzugstüren und etwas, was in Österreich - im Gegensatz zu allen öffentlichen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten - leider noch sehr selten anzutreffen ist: ein Behinderten-WC.

Noch freudig bewundernd steht der Besucher vor einem der großen Hörsäle, der mit Simultandolmetschkabinen, Videokameras samt einem „Regierraum“ (für Live-Ubertragungen) und einer kompliziert ausgeklügelten Mikrophonanlage ausgestattet ist. Der Bewunderung weicht aber bald Verwunderung, als eine um 30 Grad nach vorne kippbare Wand von zirka fünf mal acht Meter vorgeführt wird, deren Zweck die Verhinderung der Verzerrung der von in allen Unterrichtsräumen obligaten Overheadprojekto-ren ausgestrahlten Schrift ist, und als die Klimaanlage demonstriert wird, deren Luftdüsen an der Vorderseite der Bänke jedes Sitzplatzes installiert wurden.

Aus der Freude wird Mißtrauen gegenüber der Geldverwendung, als der Beobachter feststellt, daß alle Hörsäle und Gänge mit Teppichböden ausgestattet sind; derzeit sind sie noch sauber; man kann auch nicht viele Studenten erspähen. Was aber, wenn die Räume voll ausgelastet sind, also zirka tausend Studenten stündlich die Unterrichtsräume betreten? Uber die Leichtigkeit und Effizienz der Reinigungsarten sind sich ja selbst die Fachleute noch nicht einig ...

Doch Luxus ist das alles noch nicht, höchstens biederer Komfort. Ersterer beginnt beim hydraulischen Aufzug, der zwölf Stufen zu überwinden hilft und dazu noch seine Gebläseanlage zur Erleichterung der Fahrt automatisch einschaltet (das Argument „für Behinderte“ ist berechtigt; aber mußten denn die paar Stufen sein?). -Fernsehschirme sind eine markante Erscheinung an der Universität Klagenfurt (so markant wie in einer TV-Ausstellung). Denn es gibt derer nicht nur (allerdings versenkbar in der Dek-ke!) sechs in dem oben zitierten Prunk(hör)saal, sondern auch auf dem Gang zwischen den einzelnen Hörsälen (für Übertragungen aus Hörsälen oder zum ORF-Empfang), und auch sechs in einem 40-Mann-Hörsaal, der auch mit Videokameras (inklusive einer über dem Overheadprojektor), Mikrophonen und dem entsprechenden Regieplatz (mit Telephon) ausgestattet ist, und noch dazu ein großes Lager voll im Keller, wo auch noch etliche funkelnagelneue Schreibtische ungenützt gestapelt sind.

Wo die Sache aber bedenklich zu werden scheint, wo eine allzu leichte Hand beim Geld-an-den-Mann-Brin-gen agiert haben muß, ist das modernst adaptierte Fernsehstudio (es soll später auf Farbfernsehen ausgeweitet werden) mit großen MAZ-Ka-meras (wie beim ORF), einem Regieraum mit breiter Glaswand, einem Mischpult und einem Schneidetisch, der allein 1,8 Millionen Schilling kostet; oder - Detail am Rande - die Was-serspüler, die dezent in der Wand hinter der Verkachelung vermauert sind (man erwäge nur die Möglichkeit einer anfallenden Reparatur) und die Ausstattung der Toiletteanlagen mit Rasiersteckern.

Doch weg von Einzelbeschreibungen; jedes Institut hat 14 Zimmer zur Verfügung - auch für die Sekretärinnen und die Vertragsbediensteten je eines -, ein Platzangebot, mit dem in Wien Institute zufrieden sein müssen, die ein Vielfaches der gesamten Kla-genfurter Hörerzahl zu betreuen haben.

Aber die Universität für Bildungswissenschaften soll ja noch wachsen! Den zuziehwilligen Studenten werden Spannteppich-Garconnieren (je sechs pro Haus) schräg gegenüber dem Universitätsgebäude mit eingebautem Kasten, Bett, Eiskasten, Kochnische mit Dunstabzugshaube und komplettem Badezimmer samt Bedienerin für 1200 Schilling angeboten (dabei noch restliches Geld retour, da die Betriebskosten zu hoch pauschaliert wurden), wobei in den Heimen noch mehr Qualität noch billiger zu haben sein soll.

Den Studenten sei der Komfort gegönnt. Sie studieren ja unbezahlt, um in einigen Jahren unsere Kinder zu erziehen und damit einen sehr wesentlichen Beitrag zu leisten. Es soll auch Kärnten „seine Universität“ haben: der Föderalismus ist gut und zielführend, wenn auch nicht immer billig. Aber all das nur, wenn wir es uns leisten können!

Man hat sich's mit unserem Geld geleistet. Wir können die Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt herzeigen: den Architekten als Beispiel zweckmäßiger und gleichzeitig moderner Bauweise, Bibliotheksplanern als Beispiel einer leicht benutzbaren Universitätsbibliothek, Medienfachleuten als Beispiel totaler Aufnahme- und Wiedergabemöglichkeiten, Innenarchitekten als Beispiel lobenswerter Behindertenförderung und moderner Büroeinrichtungen in Verbindung mit Pflanzen sowie schließlich dem Ausland als Beispiel für Österreichs Wohlstand (also doch eine „Insel der Seligen“?).

Bitte die Universität aber nicht zu zeigen: normalen Steuerzahlern, die jetzt auch noch die Luxussteuer (für den Luxus des Photographierens) zahlen müssen, Vortragenden an anderen Universitäten, deren Vorlesungen den ministerialen Lehrauftragskürzungen zum Opfer gefallen sind, all jenen, die von den Budgetkürzungen 1978 betroffen sind und schon gar nicht - bitte - Studenten von anderen Universitäten!

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