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Hochwürden darf nicht fehlen

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Der Terminkalender ist voll, und das ist gut. Es ist eine schöne und zugleich beglückende Erfahrung, wenn man gebraucht wird. Als Priester werde ich gebraucht. Mein Terminkalender kann davon Bände erzählen.

Viele Namen tauchen auf: Kinder und junge Menschen, Familien, alte und kranke Menschen, verschiedene Gruppen und Gesprächsrunden, diözesane und überdiözesane Gremien. Von Festen und Feiern wäre hier zu erzählen, von vielen Begegnungen und Beziehungen. Sie alle fordern mich, beschenken mich und bereichern mein Leben.

Ich bin rundum gefordert und kann stets zur Verfügung sein.

Darin zeigt sich ein großer Vorteil der zölibatären Lebensform. Ich bejahe diese für mich voll und ganz, ich meine aber trotzdem, daß die Kirche heute für den priesterlichen Dienst mit viel Mut und großer innerer Freiheit neue Wege suchen soll, die auch dem verheirateten Mann oder der Frau eine Möglichkeit einräumen.

Eine geistige Erneuerung, wie, sie heute dringend nötig ist, muß auf einer breiten Basis aufbauen und wird nicht von Junggesellen allein zu tragen sein. Die Erneuerung im Geiste, die allein die Menschheit retten kann, wird nur

vom Glauben ausgehen können — keine andere Kraft zeigt sich weit und breit.

Wöchentlich spreche ich bei Gottesdiensten, in der Schule, in Runden und Gruppen und in persönlichen Gesprächen zu oder mit etwa 2000 Menschen. Das ist einerseits eine große Chance, andererseits aber nicht leicht. Ein Hauptproblem ist die Sprache.

Wenn Menschen die Woche hindurch Gott nur fluchend oder von „Gott sei Dank" bis „ach du lieber Gott" gedankenlos im Munde führen, kann für sie am Sonntag das Wort Gott nicht plötzlich zum Träger einer das Leben verändernden Heilsbotschaft werden. Ein Ergriffensein von Gott wird dadurch beinahe unmöglich gemacht.

Die Inflation der Worte trifft den Prediger unmittelbar. Sie zählt zu 'den Nöten unserer Zeit. Der Prediger wird immer wieder die Stille, „die Wüste", aufsuchen müssen, um im Schweigen die Sprache und ihre Eigentlichkeit neu zu finden. In diesem Zusammenhang sehe ich für die Kirche eine große Aufgabe. Sie müßte

der Ort sein, wo ein freier Diskurs möglich ist, wo ein ehrlicher und offener Dialog geführt wird. Sich dem politischen Sprachspiel anzugleichen, mag für die Kirche eine Versuchung sein und manchmal Erfolg versprechen, ist aber kein guter Dienst an der Welt.

Mein Terminkalender zeigt, daß ich als Priester oft bei recht fragwürdigen Anlässen vertreten bin. Das bringt die sogenannte Volkskirche mit sich. In ihr hat sich Alibi-Christentum breitgemacht, das bei mangelnder Innerlichkeit an Äußerlichkeiten umso zäher festhält und zu Alibi-Handlungen verleitet. Der Herr Hochwürden darf nicht fehlen — von der Wiege bis zur „schönen Leich".

Auch hat sich die mangelnde Bekenntnisfreude des Österreichers im Brauchtum einen nicht zu unterschätzenden Ersatz geschaffen. Der Priester steht hier in einem großen Spannungsfeld. Er weiß, daß „Gottes Wort ein scharfes, zweischneidiges Schwert ist", das er zu verkünden hat, „sei es gelegen oder ungele-

gen", er steht aber völlig anderen Erwartungen gegenüber.

Gefragt sind ein paar schöne, passende Worte und ein paar Tropfen Weihwasser, die sich leicht wieder abwischen lassen, und dann kann das Leben weitergehen, als wäre nichts gewesen. Und es ist in der Tat nichts gewesen, denn bei solcher Oberflächlichkeit ändert sich nichts, nicht einmal, wenn Sakramente gespendet werden.

Der Priester ist in Gefahr, zum Funktionär eines „Lebens-Ver-schönerungsvereins" zu werden. Hier wird nur Verweigerung helfen können, auch wenn der brave Kirchenbeitragszahler seinen Anspruch geltend macht.

Es ist ihm so nicht gedient, weil seine Lebensnot nicht verändert, sondern nur schön eingepackt wird. Immer wieder wird die Versuchung zum Allerweltchristentum zu überwinden und das Wort vom „schmalen Weg" und der „engen Pforte" in Erinnerung zu rufen sein. Das tut weh, aber es führt kein anderer Weg zum Heil.

Meinen Terminkalender müßten die Bischöfe sehr eingehend studieren. Sie senden uns als Priester in die Gemeinden, beauftragen uns aber als Pfarrer mit zu vielen Dingen, die mit dem Priestersein nichts zu tun haben. Freilich ist die Rolle des Pfarrers historisch gewachsen, sie ist aber dringend neu zu bedenken.

Ein Pfarrer ist heute so nebenbei Verwalter einiger Gebäude, Bauherr, Hüter von Denkmälern. Verantwortlicher für einen Kindergarten und nicht zuletzt Leiter einer Kanzlei, die eine beachtliche Papierflut zu bewältigen hat. Das sind alles wichtige und ehrenhafte Aufgaben, aber der Dienst am Wort Gottes leidet darunter.

Dieses Problem begegnet uns schon in der Apostelgeschichte. Ahnlich wie damals müßten heute die Dienste in den christlichen Gemeinden neu geregelt werden, damit der Heilsdienst des Priesters, den die Welt dringend braucht, neu zum Tragen kommt.

Der Verfasser ist Pfarrer in St. Johann im Pongau (Salzburg)

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