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Kubazucker 1973

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Die kubanische Zuckerrohrernte läuft in mehreren Provinzen der Insel auf Höchsttouren. Der Ertrag von 1973 soll einen „neuen Beginn“ in der kubanischen Wirtschaftsentwicklung markieren. An rhetorischen Ankündigungen dieser Art fehlt es auch in den vergangenen Jahren nicht. So wurde 1970 die „gran zafra“ angekündigt, die mit einem stillen Fiasko endete. Voraussagen und Schätzungen für die heurige Ernte waren jedoch nüchterner und realistischer, wobei nur die Notwendigkeit einer progressiven und steten Entwicklung auf dem Zuckersektor betont und verlangt wurde.

Natürlich wird weiterhin „revolutionärer Enthusiasmus auf den Zuckerrohrfeldern“ verlangt und propagiert. In den Fachministerien hat man aber'die Lektion der „gran zafra“ von 1970 nicht vergessen, ja sogar möglicherweise einkalkuliert. Man wollte die damaligen chaotischen Verhältnisse in der kubanischen Wirtschaft nicht noch einmal erleben und war daher um bessere, realistischere Planung bemüht.

Seit Kuba im Juli 1972 der sowjeteuropäischen Wirtschaftsorganisation beitrat, haben die COMECON-Experten, vorwiegend russische Fachleute, ein größeres Mitspracherecht erhalten. Die osteuropäischen Fachleute sind bemüht, den Wirkungskreis der castroistischen Ad-hoc-Wirtschaftslenkung einzuschränken und die strukturellen Probleme sachlicher anzupacken.

Die Comisiön de Orientaciön Revolucionäria (kurz: COR, Komitee für Revolutionäre Orientierung) hat diesmal das farbenprächtige Wortfeuerwerk vor Beginn der Ernte unterlassen und fordert zur „besten produktiven Effektivität in den Zuckerrohrmühlen“ auf. Dabei werden sogar die Mißstände von 1970 nicht verschwiegen. Aber die Arbeitsmethoden und der Ernteertrag von 1973 sollen richtungsweisend und maßgebend werden!

Im Jahre 1970 erhob man sich noch zu schwindelerregenden Planungshöhen: 10 Millionen Tonnen Zucker hätten geerntet, neue Zuckerrohrfelder angepflanzt werden sollen. Um so tragikomischer die kleine Ertragsmaus, die von den hohen Hoffnungsbergen geboren wurde. Eiligst wurden damals neue „technische und administrative Maßnahmen“ angeordnet. Ob sie etwas taugten, wird die heurige Ernte unter Beweis stellen. Die „Parteiarbeit“ war auch diesmal „in allen Phasen des agrikulturellen und industriellen Prozesses“ stark und entschlossen.

Die „Nationale Gewerkschaft der Zuckerindustriearbeiter“ veröffentlichte ebenfalls einen Aufruf, in welchem die notwendigen Schritte zum Erfolg ziemlich objektiv aufgezählt wurden. Dennoch kam dabei klar zum Ausdruck, daß die Gewerkschaft auch in dieser Erntezeit als Wachhund fungiert und nicht als Vertreter der Interessen der Arbeiter! Der Lieblingsausdruck der Gewerkschaftsführung ist noch immer das Wort „Arbeitsdisziplin“. Jeder Arbeiter „muß die notwendige Wachsamkeit entwickeln und größte Aufmerksamkeit den technischen Standards schenken, die vom Ministerium ausgearbeitet wurden“. Ein „Erntearbeitswettbewerb“ wurde angeordnet, mit „Mini-Arbeitswettbewerben“ in den unteren Sektionen. Die lokalen Gewerkschaftsorganisationen sollen für die allgemeine Kontrolle sorgen, „den Wettbewerb anfeuern“, „über Arbeitsdisziplin wachen“, „jene Arbeiter ermutigen, die sich durch besondere Leistungen auszeichnen“ und „andere Aktivitäten unterstützen, die mit dieser großen Schlacht in Verbindung stehen“. Es sei Pflicht aller Arbeiter, nicht nur eine mengenmäßige, sondern auch eine qualitative Höchstproduktion zu erreichen.

Das Blatt „Granma“ forderte „intensive organisatorische Arbeit in allen Provinzen“. Vorsichtshalber wies das Blatt allerdings im voraus darauf hin, daß vielleicht nicht alle Planziele verwirklicht werden könnten und „nicht alle Probleme konnten gelöst, aber die kritischesten wurden reduziert“.

Ergebnis? Der Zuckerertrag dürfte heuer etwas höher sein als im Vorjahr und zwischen 4,5 und 4,7 Millionen Tonnen liegen. Die Währungsprobleme der Zuckerinsel werden dadurch nicht verkleinert. Die kubanischen Verpflichtungen Moskau gegenüber werden so gut wie jedes Kilo Zucker absorbieren, das exportiert werden kann. Was bleibt den Kubanern anderes übrig, als auf bessere Jahre zu hoffen und große Anstrengungen zu machen, die „zu einer Normalisierung des Ernteprozesses“ führen. Daß die allgemeine Wirtschaftslage derzeit, dank sowjetischer Lenkung, etwas günstiger ist als im Jahre 1970, soll nicht verschwiegen werden.

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