Impfpflicht als Provokation

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Die Regierung war bemüht, die umstrittene Impfpflicht verfassungskonform und flexibel zu gestalten. Dennoch wird sie zum Prüfstein für Demokratie, Verwaltung und Glaubwürdigkeit.

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Die Regierung war bemüht, die umstrittene Impfpflicht verfassungskonform und flexibel zu gestalten. Dennoch wird sie zum Prüfstein für Demokratie, Verwaltung und Glaubwürdigkeit.

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Die Ultima Ratio wird nun also schlagend: Mit Anfang Februar tritt eine allgemeine Impfpflicht für alle in Österreich lebenden Erwachsenen in Kraft. Nur Schwangere, Genesene (bis sechs Monate) sowie all jene, bei denen plausible medizinische Gründe gegen eine Impfung sprechen, sind ausgenommen. Feststellen dürfen dies nicht Homöopathinnen oder Kinesiologen des Vertrauens, sondern nur Amtsärztinnen und -ärzte, Epidemiologen oder Spitalsambulanzen. Man meint es also offenbar ernst.

Als gelernte Österreicherin reibt man sich die Augen. Viele haben erwartet – und noch mehr gehofft –, dass der Krawall der Straßen, die Wut der E-Mail-Schreiber, aber vor allem auch die zunehmende Zahl kritischer Expertinnen und Experten das vergangenen November am Achensee aus der Not geborene Projekt „allgemeine Impfpflicht“ vom Tisch fegen würden. Die virale Ausschleichvariante Omikron hätte einer solchen politischen Wegschleichbewegung durchaus die Bahn ebnen können: Ein geringerer Infektionsschutz nach einer Impfung und eine geringere Krankheitsschwere hätten es der Politik möglich gemacht, gesichtswahrend Abschied zu nehmen von ihrer überraschenden Ankündigung angesichts des damals unausweichlichen Lockdowns für alle. Doch die Regierung unter Kanzler Karl Nehammer hat sich offenbar festgelegt: Man stehe zu seinem Wort, man blicke nach vorn, man hüpfe nicht wie bisher verspätet von Welle zu Welle, sondern denke schon jetzt an die nächste Mutation, ob sie nun freundlicher oder hässlicher werden mag als Omikron.

Politische Ausschleichvariante

Eine Haltung, die grundsätzlich Respekt verdient. Ebenso der Versuch, diese heikle Lex nicht etwa durchzudrücken, wie es frühere Kanzler mutmaßlich bevorzugt hätten, sondern tatsächlich auf berechtigte kritische Stellungnahmen einzugehen – sowie auf Verfassungskonformität zu achten. Die „flexible“ Ausgestaltung des Gesetzes mit drei Phasen und präzisierenden Verordnungen ist eine Folge davon: Punktuelle Kontrollen gibt es erst ab Mitte März, einen Abgleich von Melde- und Impfregister (dank ELGA-GAU!) erst ab April; und das Verschicken automatisierter Strafverfügungen geschieht überhaupt nur bei „epidemiologischer Notwendigkeit“.

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