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Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft die Notwendigkeit funktioneller, körpergerechter und effizienter Büromöbel. Weit weniger anerkannt ist dagegen die Bedeutung ihrer Lage und Anordnung im Raum - das sogenannte Layout. Der Raum blieb in der Arbeitsforschung eine vergessene Dimension.

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Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft die Notwendigkeit funktioneller, körpergerechter und effizienter Büromöbel. Weit weniger anerkannt ist dagegen die Bedeutung ihrer Lage und Anordnung im Raum - das sogenannte Layout. Der Raum blieb in der Arbeitsforschung eine vergessene Dimension.

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Es ist schon erstaunlich, wie hartnäckig sich trotz der dynamischen Entwicklungen rund um das Büro klassische Layoutformen erhalten. Noch immer sitzen sich die Mitarbeiter überwiegend am Tischblock vis-ä-vis. Eine Anordnung, die aus Zeiten stammt, als man sich wegen der gemeinsamen Petroleum- oder Gaslampe und des gemeinsam benutzten Tintenfasses am Doppelstehpult gegenüberstand. Damals waren Gehrock und Ärmelschoner im Büro aktuell...

Die traditionelle vis-ä-vis-Blockan-ordnurig (T-Layout) ist, trotz vielfältiger Nachteile, was akustische und optische Störungen anbelangt, bis heute die häufigste Layout-Variante. Daneben aber sind neue Raumkonzepte entstanden, die eine Position „Rücken an Rücken" ermöglichen und so unterschiedlichen Bedürfnissen wie Begegnung und Privatheit Raum geben: Die U-Layouts, auch geklappter Arbeitsplatz genannt.

Vieles spricht für die neuen Konzepte: Störungsfreies Arbeiten im selbstbestimmten Blickfeld, ein fließender Übergang von Konzentrationsund Kommunikationstätigkeiten, Förderung des Informationsaustausches in der Gruppe oder direkt am Arbeitsplatz sowie mehr Bewegungsraum und ein hohes Maß an Privatheit. Vorteile, die eine Nutzwertanalyse im Vergleich von fünf typischen Bürolayouts klar bestätigt hat. -

Dieses Ergebnis resultiert aus einem Forschungsprojekt, das vom Stuttgarter Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation 1990 durchgeführt wurde. Es legt erstmals eine objektive Bewertung unterschiedlicher Bürolayouts vor.

Ausgangspunkt war die Tatsache eines verbreiteten, wenn auch unartikulierten Unbehagens der Benutzer konventioneller Doppelarbeitsplätze.

Wie die Studie zeigt, wünscht sich nahezu jeder Befragte ein Zimmer ganz für sich allein. Bei IBM etwa wird diesem Wunsch bereits stattgegeben; im neuen Wiener Hauptgebäude erhält jeder Mitarbeiter ein Einzelbüro - gleich im Standard und mit optimalem Ausblick.

Das Großraumbüro ist passe. Doch nicht jedem wird üblicherweise ein eigener Raum zur Verfügung gestellt. Die Regel sind Mehrfacharbeitsplätze, nur müssen sie nicht wie selbstverständlich in Blockform angeordnet sein. Hier setzt die Fraunhofer-Studie an. Sie untersucht, welchen Anforderungen Büroraumkonzepte heute gerecht werden müssen und welche unterschiedlichen Qualitäten T- und U-Layouts aufweisen. Die Frage dabei lautet: „Was entspricht den menschlichen Bedürfnissen aus funktionaler, rationaler und auch emotionaler Sicht warum und wann am besten?" - Ansichten & Rücksichten. •

Die Arbeit im Büro bewegt sich heute zunehmend im Spannungsfeld zwischen Konzentration und Kommunikation. Ungestörtheit ist bei zunehmendem Einsatz moderner

Bürotechnik für viele Tätigkeiten Voraussetzung und kein Privileg mehr, sollen die steigenden Anforderungen nicht in unproduktiven Streß umschlagen. Umgekehrt zählt der Informationsaustausch heute zu den wichtigsten Faktoren im rationellen Bürobetrieb. Erst die Möglichkeit zum selbstbestimmten Wechsel von Rückzug und Kontaktaufnahme läßt Beziehungen Raum greifen und produktiv werden. Dieser Aspekt der Auto-nomisierung kann in Bürolayouts gewährt oder verhindert werden.

Sicherheit, Schutz und physische Autonomie sowie Kommunikation und Beteiligtsein sind universale Grundbedürfnisse des Menschen. Keines davon sollte allzusehr unterdrückt werden müssen. Vor allem territoriale Übergriffe - wenn man den Menschen keine Privatheit gestattet, ihnen zu nahe tritt, hren persönlichen Raum nicht akzeptiert -können zu Streß und Belastungen führen. Nicht nur die Büromöbel-Ergonomie im engeren Sinn, auch die Anordnung der Möbel sowie die Orientierung der Mitarbeiter zueinander, zu Festem, Türen und Wänden hat erheblichen Einfluß auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter.

So ist erwiesen, daß die Nähe zum Fenster wichtig ist. Auch die Kontrolle des Arbeitsbereiches sollte gewährleistet sein, sowohl über den gesamten Raum (das heißt Überblick, wer den Raum betritt) als auch über den eigenen Arbeitsplatz. Rückendeckung gibt Sicherheit! Unter diesem Aspekt muß im U-Layout der Innenbereich sorgfältig gestaltet werden, etwa mit Hilfe von Sideboards. Wie überhaupt der Mangel an freiem Ausblick ein Problem der U-Layouts ist; man sieht

zur Wand, die andererseits Platz für persönliche Gestaltung bietet und die Intimität erhöht.

Ein weiteres Stichwort ist die Stimulationskontrolle, das heißt, jeder muß die Möglichkeit haben, sich äußeren Reizen der Umgebung nicht permanent aussetzen zu müssen (Zwangsanblick, Raucher, Lärmeinwirkung) und sich auch ungestört zurückziehen können. Hier liegt die große Schwäche der T-Layouts: zwar kann das Gegenüber rasch kontaktiert werden, dafür sind ungewollte Kommunikation und Störungen unvermeidbar; für sich sein ist in dieser Konstellation kaum möglich. Eine Untersuchung, die 1989 an der Wirt-

schaftsuniversität Wien durchgeführt wurde, ergab, daß sich im Zwei-Personen-Büro 26 Prozent der Befragten durch den Kollegen abgelenkt fühlen. Daher sollten auch die erforderlichen Zonen für Gespräche, Besprechungen und Konversation am Arbeitsplatz so angeordnet sein, daß andere im Raum sich nicht gestört fühlen.

Die genannten Faktoren ergaben gemeinsam mit spezifischen Grunddaten, wie Tätigkeit, Vorgaben, individuelle Wünsche, und den Kosten, entstehend aus Flächenbedarf, Quantität und Qualität der Möblierung und so weiter, die Nutzwertanalyse für Bürolayouts. Das Ergebnis: Von 400 möglichen Punkten erhielt die mei-

sten, nämlich 3-11,7, das U-Layout mit freiem Zugang zum Fenster und Sideboards im Innenraum, die gleichzeitig für Kurzbesprechungen im Stehen genutzt werden können. An zweiter Stelle liegt eine weiterö Form des U-Layouts, erst dann folgen drei verschiedene Anordnungen in Blockform. Wie eine Expertenbefragung im Zuge des Stuttgarter Forschungsprojekts ergab, werden die Vorteile des U-Layouts zunehmend erkannt und auch gewürdigt; von 22 Fachleuten (Büroplaner, Büromöbelhersteller, Organisatoren, Architekten und Psychologen) hielten exakt 50 Prozent die neuen Konzepte für vorteilhafter.

Ohne Frage ist das Büro heute ein Ort mit einem außergewöhnlich breiten Spektrum von Tätigkeiten. Dafür kann es nicht nur ein geeignetes Bürolayout geben. Die Berücksichtigung wesentlicher Bedürfnisse der Menschen und die große Mannigfaltigkeit der Aufgaben verbieten aber die Fortsetzung einer sterilen Einförmigkeit bei der Besiedlung von Büroräumen.

Der Ort der Arbeit ist für viele ein Ort des Unbehagens geblieben. Punktuelle Annehmlichkeiten werden daran nicht viel ändern können. Der Aspekt humaner Arbeitsplatzgestaltung und ihre Bedeutung als Produktivitätsfaktor fehlt oft bei notwendigen Entscheidungen zur Planung und Einrichtung von Büros. Entscheidungen, die noch immer überwiegend emotional getroffen werden, und die - oft unter Umgehung der Erfahrungen und Wünsche der Benutzer -zeigen, wie schwierig die Abkehr vom Gewohnten ist.

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