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Digital In Arbeit

Menschenfresser

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Heutzutage wird Arbeitssuchenden immer wieder empfohlen, sich doch nach einem technologischen Job umzuschauen, am besten in der Computerindustrie, da das angeblich eine krisensichere Branche sei. Aber einen Haken hat die Sache doch.

In einer der größten Computerfirmen der USA kam es vor kurzem zu folgendem Gespräch:

„Dr. Frankenstein, ich möchte Ihnen zu Ihrer neuen Software-Entwicklung gratulieren. Damit schafft ein Roboter die Arbeit von hundert menschlichen Angestellten, und zwar in der Hälfte der Zeit."

„Nicht der Rede wert. Der Trick war, einen Computer so mit dem Roboter kurzzuschließen, daß beide dieselbe Sprache sprechen. Zuerst habe ich ihn darauf programmiert, nur noch in SAMP-SON zu kommunizieren, und dann hat er gelernt, nicht nur Far-

ben, sondern auch Formen und Entfernungen zu unterscheiden und verbale Anweisungen zu verstehen. Ein Angestellter unserer Firma kann nun von seinem Eigenheim im Grünen aus über unser Terminal .Wassermelone 536' jeden SAMPSON-programmier-ten Roboter in der westlichen Welt steuern."

„Wir sind uns dessen bewußt, und wir sind stolz auf Ihre Arbeit. Sie ist besser ausgefallen, als wir es uns je hätten träumen lassen."

„Haben Sie schon einen Käufer für das System?"

„Nein, wir haben es zuerst mal hier im eigenen Betrieb installiert, um festzustellen, ob es nicht irgendwelche Macken hat."

„Und?"

„Sie sind entlassen, Frankenstein."

„Ich bin entlassen?"

„Ja; dank dem System, das Sie entwickelt haben, können wir 3000 Leute einsparen und unsere Produktion trotzdem um 40 Prozent steigern."

„Ja, und — schließlich war es meine Idee ... ?"

„Der SAMPSON-Roboter macht Ihre ganze Forschungsund Entwicklungsabteilung überflüssig — damit entfällt ein dicker Kostenfaktor. Die Arbeit, die Sie geleistet haben, wird jetzt der Roboter zu einem Hundertstel der Kosten erledigen. Er hat auch schon gezeigt, was er kann, und selbständig ein neues Marketing-Programm entwickelt, das uns in die Lage versetzt, 90 Prozent unseres Verkaufspersonals abzubauen. Und zur Zeit ist er dabei, Sparprogramme auszuarbeiten, mit denen wir unsere Telefongebühren und unsere Steuern um 70 Prozent reduzieren können. Sie haben ein technisches Wunderwerk geschaffen, Dr. Frankenstein, und wir werden diese Leistung, darauf können Sie sich verlassen, in unserem nächsten Geschäftsbericht gebührend würdigen."

„Das freut mich sehr, aber was nützt mir das, wenn ich meinen Job verliere?"

„Das hätten Sie sich vorher

überlegen müssen. Sie wußten doch, daß Ihr SAMPSON-Projekt menschliche Arbeitskräfte weitgehend überflüssig machen würde."

„Ich dachte, wir würden es an andere Unternehmen verkaufen. Daß wir es in der eigenen Firma einsetzen..."

„Wir wären ja schön blöd, wenn wir uns das System nicht selber zunutze machten. Unsere wichtigste Aufgabe ist, die Lohnkosten so niedrig zu halten wie nur möglich. Für jede menschliche Arbeitskraft, die wir beschäftigen, kommen ja zum unmittelbaren Lohn auch noch die Sozialversicherungsbeiträge, dann Beihilfen und Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, betriebliche Altersvorsorge und so weiter, ganz zu schweigen von den vielen bezahlten Kaffeepausen. Ein Roboter wird nicht krank und braucht keinen Urlaub; nach drei Jahren ist er steuerlich abgeschrieben, und dann arbeitet er praktisch umsonst."

„Tja, wenn das so ist, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als zu einer anderen Firma zu gehen und dort ein noch besseres SAMPSON-Programm zu entwickeln."

„Das würde ich Ihnen nicht raten. Wie SAMPSON, der inzwischen auch die Arbeit unserer aufgelösten Rechtsabteilung übernommen hat, dazu mitteilt, machen Sie sich, wenn Sie zu einer anderen Firma gehen und dort an einem gleichartigen Projekt ar-

beiten, der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen schuldig. SAMPSON empfiehlt uns, Sie in diesem Fall zu verklagen."

„Aber Sie können mir doch nicht verbieten, meinen Lebensunterhalt zu verdienen!"

„Wir tun ja nur, was SAMPSON für richtig hält, und er ist schließlich Ihre Erfindung. Wenn Sie der geniale Kopf wären, für den Sie sich halten, hätten Sie das System nicht so programmieren dürfen, daß es in der Lage ist, selbst Forschung und Entwicklung zu machen. Ihr Wissenschaftler denkt nie an die Folgen eurer bahnbrechenden Erfindungen."

„Also, wenn ich nicht mehr im F- und E-B'ereich arbeiten darf, dann geben Sie mir wenigstens eine andere Arbeit. Ich habe ohnehin nur noch zwei Jahre bis zur Pensionierung. Versetzen Sie mich meinetwegen in die Poststelle."

„Na gut, aber lassen Sie mich erst noch rasch SAMPSON fragen, was er dazu meint."

„Was sagt er?"

„Er sagt, die Post kann er selber sortieren, da braucht er keinen Handlanger. Aber er schlägt vor, Sie in der Kantine zu beschäftigen. Dort müssen wir uns noch mit menschlichen Arbeitskräften be-helfen, weil SAMPSON die Küchendünste nicht verträgt und es haßt, Kartoffeln zu schälen."

Aus: SCHLAFMUTZEN ALLER LANDER, VEREINIGT EUCH! von Art Buchwald. Scherz Verlag Bern, München, Wien. 1984.

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