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Papst füßr Kultur-Kontakte

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„Wir stehen jetzt ein wenig nackt da", meinte ein Kardinal weniger standesgemäß als treffend zu Beginn der ersten Sitzung des neugegründeten Päpstlichen Rates für die Kultur. Tatsächlich wirken die vier oder fünf Räume im römischen Palazzo San Cali-sto, die dem Rat zugewiesen wurden, nackt und kahl.

Doch nicht nur das meinte der nicht näher genannte Kardinal. Er spielte vielmehr auf das Fehlen genau umschriebener Weisungen an, obwohl allen klar war, daß es dem Papst seit langem ein besonderes Anliegen ist, dem Entfremdungsprozeß von Kirche und moderner Kultur entgegenzuwirken.

Ganz allgemein nennt die Gründungsurkunde vom 20. Mai 1982 folgende Aufgaben für den Päpstlichen Rat: das Interesse des Heiligen Stuhls am Fortschritt der Kultur und an einem fruchtbaren Dialog zu bezeugen; Probleme der Kultur mit den Dikasterien des Heiligen Stuhls, den Bischofskonferenzen und den internationalen katholischen Universitäten sowie ähnlichen Einrichtungen zu erörtern und nach Möglichkeit zu koordinieren; Kontakte zu den internationalen Organisationen, die auf kulturellem Gebiet tätig sind, herzustellen sowie als römische Kontaktstelle für Vertreter der Kultur zu dienen. ‘ „Die wirklich konkreten Aufgaben werden sich nach meiner Einschätzung erst dann abzeichnen, wenn die einzelnen Mitglieder des Rates stärker zueinander gefunden haben", meint das Ratsmitglied Nikolaus Lobkowitz, Professor für Philosophie an der Universität München und deren langjähriger Präsident, in einem Gespräch während der ersten Vollversammlung.

Mitte Jänner empfing der Papst sämtliche Mitglieder des neuen Kulturrates in Audienz. In seiner Ansprache skizzierte er in groben Umrissen die Anliegen, die ihn bei der Gründung des Rates leiteten. Die Kirche fühle sich im Namen des Glaubens verpflichtet, auf den modernen Menschen zu hören, denn nur so könne sie ihn besser verstehen und ein neues Gespräch beginnen. Eine wirksame Evangelisierung habe die Aufgabe, die Kultur mit den Werten des Glaubens zu durchdringen. Zugleich müsse die Kirche offen sein für die positiven Werte anderer

Kulturen, die den Glauben bereichern und vertiefen können. Ein solcher lebendiger Kontakt mit den zeitgenössischen Kulturen sei für die Zukunft der Kirche — und ganz allgemein der Gesellschaft -von vitaler Bedeutung, erklärte der Papst und fügte wörtlich hinzu: ,, Die Geschichte wird mit unserer Zeitepoche in dem Maß ins Gericht gehen, in dem diese die Kultur in so vielen Teilen der Welt erstickt, korrumpiert und total versklavt."

Professor Lobkowitz sieht vor allem drei Aufgaben des Kulturrates: Die erste lieg^ in der Pflege der Tradition. „Unsere moderne Zivilifation baut einerseits auf der Wissenschaft auf, anderseits auf einem gewissen vagen Liberalismus. Hier zeigt sich die Gefahr, kulturelle Traditionen zu zerstören. Das wird ganz besonders deutlich in asiatischen Ländern, in Lateinamerika, ist aber, wenn wir ein klein wenig herumblicken, auch in Europa festzustellen." Die zweite Aufgabe liegt im Bemühen, dem Wertverfall entgegenzuwirken. „Unsere gegenwärtige Zivilisation ist eine extrem permissive geworden. Dieser Prozeß löst Werte auf, ohne eigentlich neue zu schaffen. Angesichts dieser Situation wäre es Aufgabe des Kulturrates zu überlegen, wie diese negative Entwicklung gebremst werden kann."

Die dritte Aufgabe gilt dem Menschenbild unserer Tage. „Ein zentraler Gedanke des gegenwärtigen Papstes gilt dem Menschen und seiner Würde. Der Papst scheut sich nicht, auch Themen aufzugreifen, die eigentlich gar nicht innerhalb der Kirche entstanden sind. Die programmatische Feststellung seiner ersten Enzyklika ,Redemptor hominis’, derzufolge der Mensch der Weg der Kirche sei, bringt in bisher nicht gekannter Weise die Sorge eines Papstes um den Menschen zum Ausdru5k. In seinem beständigen Pochen auf die Rechte des Menschen greift Johannes Paul II. auf eine Tradition zurück, die — wenigstens in dieser Form — gar nicht in der Kirche entstanden ist, sondern uns von der Aufklärung überkommen ist. Der Papst bringt auf diese Weise die heute sehr modern gewordene Tradition der menschlichen Würde in die Kirche ein."

Die erste Vollversammlung hat nach Meinung des Sekretärs des Kulturrates, des langjährigen Rektors der päpstlichen Universität Gregoriana P. Hervė Carrier SJ, den Weg zu einer zunehmenden Konkretisierung der Arbeiten eingeleitet. Eine Zeitschrift wird laufend über diese Arbeiten informieren.

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