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Permanentes Mißverstehen

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Da schicken sie gleich zwei Geistliche mit der österreichischen Olympiamannschaft ins ferne Lake Placid, um für das seelische Wohl der Spitzensportler zu sorgen - wenn es jedoch um das Verhältnis zwischen Kirche und Sport des Normalverbrauchers geht, ist die Beziehung eine sehr kühle und distanzierte: Macht es sich die Kirche zu leicht?

„Mich würde interessieren, wann jemals ein Geistlicher sich am Sonntag auf den Sportplatz gestellt hat und dort, wo die Menschen sind, mit ihnen Gottesdienst gefeiert hat." Seit Kaplan Fritz Pechtl, bereits mehrfacher „Olympiapfarrer" der Österreicher und selbst aktiver Sportler (so ist er im Besitz der Fußballtrainerlizenz für österreichische Erstdivisio-näre), im Rahmen einer Enquete des Referates „Kirche und Sport" derart die Anwesenden zu Reaktionen provoziert hat, ist die Diskussion im innerkirchlichen Raum nicht mehr zur Ruhe gekommen.

Soll sich die Kirche nach dem Sport oder der Sport nach der Kirche richten?

„Eine demagogische Frage", werden die einen sagen; „eine Unverschämtheit!" empfinden die anderen. Doch ein paar Hinweise könnten durchaus Aufschluß darüber geben, daß jede Medaille auch ihre Kehrseite hat: Für den Sport bedeutet dies, daß zum einen die jungen Menschen wochentags meist mehr als nur engagiert sind, sei das in der Lehre, im Studium oder in der Schule (nicht erst einmal ist statistisch ermittelt worden, daß es etwa für Oberstufenschüler angesichts von 34 Schulstunden so etwas wie eine 40-Stun-den-Woche einfach nicht geben kann); zum anderer aber ist es zusätzlich (und da wiederum in den Großstädten in verstärktem. Ausmaße ein Problem der faktischen Möglichkei-ten, das es zu berücksichtigen gilt:

Denn generell ist ein eklatanter Mangel an Sportstätten zu verzeichnen. Wohl gibt es 100-Millionen-Schilling-Anlagen für eine Handvoll Bob- und Rodelsportler, die an 320 Tagen des Jahres unbenutzt bleiben, wohl gibt es gleich zwei permanente Autorennstrecken - für simple Fußballplätze, Grünflächen, Sporthallen aber ist angeblich a) kein Platz, b) kein Geld und c) kein Bedarf vorhanden.

Die Folge: In den knapp zwölf (oder seien es fünfzehn) Stunden zwischen Samstagmitt'ag und Sonntagabend müssen nicht nur Wettspiele und Veranstaltungen der Besten stattfinden, sondern auch unzählige Meisterschaften der verschiedensten Nachwuchs-, Senioren- oder allgemein der schwächeren Leistungsgruppen.

Und die raufen nun einmal um die verfügbaren Sportanlagen. Was einerseits zur Folge hat, daß gerade die Jugendlichen ihre Wettkämpfe meist am Sonntagvormittag austragen müssen (denn welcher Erwachsene steht denn schon gerne um acht oder neun Uhr in der Umkleidekabine?), anderseits aber die Forderung mancher kirchlicher Stellen nach einer Freihaltung des Sonntagvormittags für den Besuch der heiligen Messe entscheidend abwertet.

Zumal ja für Interessenten neben der Abendmesse am Sonntag in fast allen Gemeinden auch die am Samstag als Angebot zur Verfügung steht.

Am Land tut man sich da anscheinend leichter: Weil die Sportfunktionäre den Ortspfarrer kennen, weil man in engerem Kontakt steht, weil man wichtige Termine miteinander (und mit der Blasmusik, der Freiwilligen Feuerwehr und dem Wanderverein) abspricht. Die Anonymität der Großstadt hingegen fördert ein gegenseitiges Ignorieren, Außeracht-lassen, ein Warten auf den ersten Schritt des anderen - gleichwohl, ob es nun um seine oder um die eigenen Interessen geht

Denn: Welcher Pfarrer hat schon je die in seinem Einzugsgebiet ansässigen Sport- oder Freizeitvereine aufgesucht, den Kontakt aufgenommen, das Gespräch geführt? Und umgekehrt - welcher Verein weiß eigentlich, wann indepKiheiij der Umgebung, in den Trarren der Mannschaftsmitglieder die Meßfeier begangen wird?

Mißverständnisse, wohin man blickt. Permanente Mißverständnisse, die - wenn überhaupt zu jemandes Lasten - auf Kosten der Kirche gehen dürften: Denn die hat ihre Veranstaltungsorte, ihre Gotteshäuser immer zur Verfügung.

Und sie sollten auch, im Auftrag ihres Gründers, immer offenstehen. Offen im Sinn von aktiver Einladung zur Teünahme.

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