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Politik: Vielfach im Schnellsiedeverfahren gemacht
Jetzt gilt es, sich endlich zu erholen - und zwar rasch und gründlich. Man wird das ganze Jahr hindurch von den im Urlaub angesammelten Kräften zehren müssen. Und außerdem muß man den Erholungswert ja dokumentieren. Am besten man kommt braungebrannt heim. Also auf in die Sonne.
Auf diese Weise gerät ein immer größerer Teil des Lebens unter die Fuchtel des Zweckmäßigkeits- und Effizienzdenkens. Damit wird es wichtig, die Zeit zu nutzen, möglichst viel in sie hineinzupacken. Genau damit aber entgleitet sie uns auch, weil sie uns nur noch scheinbar zur Verfügung steht: nicht direkt und spontan uns selbst, sondern überwiegend indirekt durch unsere Zwecke und Ziele. Und weil diesbezüglich das Angebot laufend steigt, wird es immer schwieriger, alles unterzubringen, was einen lockt, und es überwiegt die Erfahrung: „Keine Zeit!"
Mit differenzierter Auseinandersetzung, mit ideologischen oder sachpolitischen Konzepten ist nur bei einem kleinen Teil der Bevölkerung zu rechnen. Meist orientiert man sich - und das in zunehmendem Maße auch in Österreich - an „Köpfen". Das verführt zur Instant politik, an der auch viele streßgeplagte Journalisten indirekt interessiert sind. Das langwierige Verfertigen von Plänen, Konzepten und Programmen ist passe. Solches zu erstellen bedeutet mühevolle, monatelange Kleinarbeit mit Sitzungen, Diskussionen, Abstimmungen. Niemand liest es. Niemand honoriert es. Es genügen „Plattformen" (schnell gezimmert und auch inhaltlich flach), „Schlager", „Punkte".
Die Wissenschafter im „Programmkomitee" geben durch ihre Namensanwesenheit Vertrauen, die bekannten Künstler Sympathie, die Sportler beweisen durch ihre Fotopräsenz „Leistung" - das sind Gütesiegel. Der Spitzenkandidat garantiert dann Sicherheit in Zukunft oder Zukunft mit Sicherheit oder andere Trivialitäten, gegen die niemand sein kann.
Die Positionsreden sind auf Parteitagen kurz; Gleiches gilt für die inhaltliche Diskussion. Für Beratungen bleibt auch auf Klausuren wenig Zeit. Das Ganze begünstigt die „Politik der 20 Mediensekunden,, und des Schlagworts: heute gesagt, abends gesendet/gedruckt, morgen vergessen. Für Erinnerungen, Vergleiche bleibt keine Zeit. Das Gedächtnis ist meist etwas Obsoletes in einer angeblich „schnellebigen Politik". Es leidet durch Nichtgebrauch und durch die Nachrichtenindifferenz.
Die Politik ist durch den Zeithunger mehrfach betroffen; unter anderem durch die schwindende Mitarbeitswilligkeit in den Parteien und Verbänden. Die Mitglieder scheinen vielleicht noch als Zahler, aber kaum mehr als „Veranstaltungsbesucher" auf. Und in Bürgerinitiativen sind eher Menschen mit flexibler Zeitordnung oder solche, die über Zeit disponieren können, tätig.
Auszug aus „Vision" Heft 1/19888
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