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Randbemerkungen eines bemühten Christen
Ein Katholik, den eine Ehe* Scheidung trifft, wird außer von seinem Ehepartner noch von allerhand anderem geschieden. Nicht nur, daß so manche bisherige Bekannte und Freunde einen weiten Bogen um den „Scheidungsfall“ machen - bei Frauen mehr als bei Männern-auch in der Kirche wird der Geschiedene zum „Problemfall“.
Das beginnt begreiflicherweise schon beim unguten Gefühl des Geschiedenen selbst, mit der bürgerlichen Scheidung etwas getan zu haben, was kirchlich unmöglich bleibt: Das Kirchenrecht hält die alte Ehe weiterhin Tür gültig-
Auch eine ungeschriebene „Kirchenstrafe“ tritt in Kraft: lebenslänglicher Zölibat, allerdings ohne religiöse Motivation wie bei vielen Priestern und Ordensleuten; außerdem keine stabilisierende und sinngebende Ordensfamilie.
Begreiflich, daß Seelsorger in solchen Fällen zwiespältig reagieren. Einerseits wünschen sie wohl das beste für den Betroffenen - also die Wiederherstellung einer befriedigenden Lebenssituation, neue
Freunde, vielleicht wieder einen Partner, allenfalls eine neue - und diesmal geglückte - Ehe.
Andererseits müßte er ja dazu auffordern, sich auf ein weiteres Leben in Ehelosigkeit vorzubereiten. Daß viele Seelsorger aus diesem bösen Dilemma flüchten, ist verständlich. Die Antworten bleiben vorsichtig und farblos.
Viele Geschiedene spüren die innere Abwehr und geben es auf. Sie fühlen sich nun nach der Scheidung vom Partner und vielen Freunden auch noch
von der Kirche geschieden. Scheidung auf katholisch?
Noch krasser wird es, wenn es tatsächlich zu einer Wiederverheiratung kommt, zum Bruch des auferlegten Zölibats: Nicht nur, daß die neue Ehe ohne kirchlichen Segen beginnt, man wird auch von den Sakramenten ausgeschlossen. Wieder ein Dilemma: Einerseits ist man beitragspflichtiges Mitglied der organisatorischen Gemeinschaft „Kirche" - andererseits ist man nicht mehr Mitglied der sakramentalen Gemeinschaft „Kirche“.
Was ist zu tun? Soll man sich unerkannt in der Nachbarkirche zum Altar schleichen und auf die Güte Gottes hoffen? Soll man sich von klugen Theologen von der Möglichkeit einer „Begierdekommunion“ (analog zur Begierdetaufe) belehren lassen? Soll man der Gemeinde fernbleiben oder zu weniger rigorosen Kirchen überwechseln? Soll man wie der biblische Zöllner im letzten Winkel der Kirche sein „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ sagen?
In menschlicher und wohl auch christlicher Weise haben
viele Seelsorger in letzter Zeit einen neuen Weg gesucht. Mit Ermunterung der österreichischen Bischöfe suchten viele Seelsorger das Gespräch mit Geschieden-Wiederverheirate- ten, luden sie wieder in die Gemeinde ein und ermöglichten nach einer gewissen „Probezeit“ für die neue Ehe wieder die sakramentale „Kommunikation“ mit der Kirche: die Kommunion.
Rom scheint anderes zu wünschen. Ich bitte meine geschiedenen Schwestern und Brüder um Vergebung für all die Unversöhnlichkeit, mit der wir sie behandeln. Sie mögen uns unverheirateten Seelsorgern die Verständnislosigkeit verzeihen. Sie mögen Nachsicht haben mit unserer Selbstgerechtigkeit.
Selbst aber werde ich mit meinen Freunden und Mitbrüdern darüber beraten müssen, ob uns in unserem Amt eine harte kirchenrechtliche Entscheidung mehr bindet als der versöhnliche und gütige Jesus der Evangelien.
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