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Kirche und Kinder

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Österreich ist nicht kinder­freundlich. Das zeigt die stän­dig sinkende Kinderzahl, zei­gen Mängel in der Familienpo­litik, der Wohnbaupolitik, der Schulpolitik.

Die Kirche macht sich in vielfacher Weise zum Anwalt des Kindes. Und doch werden die Kinder auch in den Gottes­diensten und in der Pfarrarbeit immer weniger. Das hat sicher mehrere Gründe. Vielleicht liegt es aber auch an der Art, wie Kinder heute Kirche erle­ben.

Die Kirche sagt sehr viel Schönes über die Kinder. Wie oft predigen wir über die er­greifende Szene: „Und Jesus stellte ein Kind in ihre Mit­te..." (Mk 9,36). Daß Gottes Sohn als Kind in diese Welt kam, ist keine rührselige Idyl­le, sondern von tiefer theologi­scher Bedeutung. Die Kirche nimmt das Kind als Frucht ehelicher Liebe so ernst, daß nach ihrer Auffassung Ehe gar nicht zustande kommt, wenn der Wille zum Kind ausdrück­lich fehlt.

Die Kirche tut auch sehr viel für die Kinder. Priester und Laien in der Seelsorge bringen sehr viel Zeit für Kinder auf: in der Vorbereitung auf die Sa­kramente; in Jungscharstun­den, Feiern und Lagern. Und zählt man die vielen Religions­stunden in der Schule dazu, dann ist der größte Teil kirchli­cher Aktivitäten eigentlich für die Kinder. Und doch fühlen sich manche Kinder zu wenig geborgen in der Kirche, wie sie selber klagen.

Kinder wünschen sich eine Kirche, in der sie noch mehr „Kind" sein dürfen, also noch nicht wie Erwachsene sein müssen, in ihrem Verhalten, in ihren Gebeten. Eine Kirche, in der sie vor Gott keine Angst haben brauchen, den sie mehr als Gott der Liebe als nur einen der Gebote erleben. Sie wollen Mädchen und Buben sein dür­fen, ohne daß eines von beiden geringer geschätzt wird. Sie wollen das Hinauswachsen aus der Kindheit, ihr Reifen, als etwas Positives, Lebensbeja­hendes erfahren und nicht immer hören, hier sei gleich alles Sünde, gerade hier!

Sie suchen eine Gottesdienst­gemeinde, die auf sie Rücksicht nimmt, in der sie eine „Rolle" spielen dürfen. Sie wünschen sich weder eine Kirche nur für Kinder, noch eine nur für Erwachsene. Kirche, so mei­nen sie, müßte erleben lassen, wie jung und alt gemeinsam im Glauben unterwegs sind und wie jeder vom anderen lernen kann.

Gott sei Dank gibt es heute schon viele, die an einer sol­chen „kinderfreundlichen" Kirche arbeiten. Dennoch macht betroffen, daß der Kir­che nun immer mehr auch Kin­derferne bleiben.

„Und er stellte ein Kind in ihre Mitte..." Die Kirche Jesu Christi müßte in einer eher kinderfeindlichen Gesellschaft dies noch glaubhafter ver­künden und konsequenter tun.

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