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Randbemerkungen über das Konferieren

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Konferenzen und Kongresse beherrschen unsere Welt, und wenn wir schon etwas mißmutig von den Massenveranstaltungen geworden sind, dann sind es die „workingparties“, eine moderne Version der Seminare, die uns zusammenbringen. Konferenzorte kämpfen verbissen um die Veranstaltungen und überbieten sich in der Auflistung ihrer Qualitäten.

Stäbe von kundigen Konferenzmanagern stehen allerorts bereit, um Konferenzen zu einem Erfolg zu verhelfen; die seit kurzem erscheinende Zeitschrift „Conference Britain“ demonstriert dies an Hand von vielen Beispielen.

Ein wesentlicher Beitrag zu dieser Professionalisierung des Konferenzbetriebes haben die Wiener Kongreßkolloquien geliefert. Die Institu-• tionalisierung dieses Kongreßmanagements tritt zutage in Dachorganisationen, wie die „International Association of professional congress Organizers“ in Brüssel oder die „European Federation of Conference Towns“ in Lausanne.

Aber auch die ökonomische Seite ist nicht zu vernachlässigen. Bereits eine Hochschulforschungskonferenz mit 250 Teilnehmern in Klagenfurt brachte während fünf Tagen einen Umsatz von 1,3 Millionen Schilling.

Und die Teilnehmer? Unwillkürlich gehen die Gedanken zu Arthur Koestlers Buch „Die Herren Callgirls“. Eine Vertreterin dieses wissenschaftlichen Jet-Set äußert auf die Frage, was sie gerade in London gemacht habe: „... mich tödlich gelangweilt - bei einem Symposium über die hierarchische Ordnung in Primaten-Gesellschaften. Ich wußte im voraus, was jeder Teilnehmer sagen würde - Konrad Lorenz, die Russell-Anhänger und der ganze Rest. Und sie alle wußten, was ich sagen würde, aber ich mußte ran. Wir alle anderen auch. Warum? Weil ich ein akademisches Callgirl bin...“

Na ja, werden wir sagen, substantiell mögen die Konferenzen nicht so ergiebig sein, aber die sozialen Kontakte, die Gespräche am Rande? Oder dürfen wir auch diese Hoffnung nicht beibehalten? Ich denke hier an einen Artikel von Jürgen Busche, vor einem Jahr erschienen in der FAZ, in dem er mit beißendem Humor das Rollenspiel während eines Kolloquiums analysiert und sich schließlich seufzend für jenen Außenseiter bekennt, „der in unendlichen Mühen und mit auf keine Eitelkeit angewiesenem Ingenium die Wissenschaft weiterbringt... (dieser) hört entweder bald auf, nicht zu den Kollegen zu gehören, oder aber er meidet sie: die Kongresse wie die Kolloquien“.

Jede Satire übertreibt, dennoch bleibt ihre indizierende Kraft. Was früher ein Lichtenberg vermochte, versuchen nun Schriftsteller wie Koestler, Hermans (der köstliche Roman „Onder Professoren“), etwas realistischer, aber auch weniger pointiert.

Auch im Falle der Konferenzen muß man sich hüten vor Übertreibungen, vor Schilderungen, die nur als Selbstprojektionen zu verstehen sind. Dennoch ergeben sich auch aus der Wissenschaftsforschung Warnungen. Mullins analysierte den neuen Wissenschaftsbereich der Molekularbiologie und identifizierte eine Phase, die nur durch die Kontaktpflege geprägt wird. Die genannten „Callgirls“ sind die Ergüsse einer solchen Phase, wo die Tätigkeit zum Selbstzweck wird.

Schon gibt es eine Konferenzforschung, deren Wurzeln die Sozialpsychologie und die Disseminations-förschung sind und deren Erkenntnisse nur noch äußerst mangelhaft verwertet werden. Bezugnehmend auf einige Erkenntnisse aus dem Wiener Kongreßkolloquium gelang es in Klagenfurt, eine Konferenz von Hochschulforschem durchzuführen, die sowohl durch besondere Informationsdichte als durch ihre Intensität der Diskussionen gekennzeichnet wurde.

Dies allerdings setzt eine gründliche Vorbereitung voraus, organisatorisch und inhaltlich. In Klagenfurt hat es sich bewährt, drei Monate vor dem Kongreß eine Studie über den Kongreß zu veröffentlichen. Hier können dann die Verbindungen gelegt werden, mit dem, was war, und dem, was erwartet wird.

Außerdem ist ein kurzes Training der Vortragenden und Diskussionsleiter nicht unnütz, weil anscheinend die kommunikativen Fähigkeiten manches Akademikers eher auf das eigene Ego als auf die Kollegen bezogen sind.

In diesen Tagen wird die Infrastruktur der Konferenzzentren in der Welt durch ein neues Kongreßzentrum in Wien bereichert. Äußerst wichtig, denn das Überleben der Menschheit hängt an dünnen Fäden der Kommunikation. Müssen wir uns aber zufriedengeben mit dieser Kultur des Status quo, geprägt von unzähligen Tagungen, die immer wieder neue Tagungen gebären?

Oder erheben wir den Anspruch, daß in Konferenzen bewußt eine Art „resource management“ erzielt wird, als Grundlage für gemeinsame Problemlösungen? Diese Chance haben wir, indem wir einerseits die Satiren ernst nehmen und anderseits die schon vorliegenden Erkenntnisse der Konferenzforschung verwerten und anwenden.

Damit auch diese Anregungen nachvollziehbar sind, noch einige konkrete Daten: Der Hinweis auf das Wiener Kongreßkolloquium bezog sich auf einen Beitrag des Züricher Ordinarius, G. Schmidtchen, der über interessante sozialpsychologische Forschungen berichtete. Die Ergebnisse sind in einigen Beiträgen zusammengefaßt, die in der Klagen-furter Universität erhältlich sind oder vom Europäischen Zentrum für

Hochschulfragen der UNESCO (CE-PES) in Bukarest publiziert werden. Die Studie Mullins erschien in Mi-nerva X (1972). Äußerst wertvoll sind die Erkenntnisse der modernen Dis-seminationsforschung und dessen Vertreters Prof. Havelock (Michigan). Sie unterstützen eine wichtige österreichische Untersuchung von W. Rauch über den Stand und die Entwicklung des wissenschaftlichtechnischen Informations- und Dokumentationswesens.

(Der Autor ist Ordinarius für Bildungswissenschaften an der Universität Klagenfurt)

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