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Salzburgs Kartenverkauf

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„Das Frühjahr kommt - Zeit für die erste Salzburg-Hatz”, sagen sich offenbar manche, denen das neue Festspielteam seit der Stunde Null im Vorjahr nicht geheuer und vor allem Gerard Mortier ein Reizfaktor ist. Schon erklingen die ersten Unkenrufe, wie schlecht es heuer vermutlich um den Kartenverkauf des Festivals bestellt sein könnte. Denn das meiste, das da von den Festspielen heuer auf die angeblich so schwachen Beine gestellt wird, sei ja weit davon entfernt, eine Attraktion zu sein.

Und so mancher, der sich zu Kara-jans Zeiten über das ewige Einerlei Karajanscher Opern- und Konzertprogramme und das Diktat der Plattenindustrie ausgelassen hat, träumt nun sogar von den goldenen Tagen unter dem Diktat des Maestro, da es in Salzburg kaum Karten gab, und Kritiker immer wieder - und natürlich vergeblich - eine „Öffnung der Festspiele” forderten.

Allen düsteren Vorhersagen und Kommentaren zum Trotz schaut die Festspiel Wirklichkeit aber anders aus. Alexander Vrtal, Leiter des Kartenbüros der Festspiele, kündigte dieser Tage eine erste Bilanz des Kartenvorverkaufs erst für Ende März an; erst dann seien Vergleiche zum Vorjahr und zu früheren Festspielsaisonen gerechtfertigt. Aber er kann dennoch Zwischenergebnisse bestätigen: so, daß der Kartenverkauf bereits besser läuft als 1992; ja, daß erste Kartenverkaufserwartungen im Bereich Oper und Konzerte längst übertroffen wurden.

Daß gerade Konzerte mit Dirigenten, die nicht zur Salzburger „Hausgarde” gehören, sich naturgemäß etwas zäher absetzen lassen, ist kein Grund zu Besorgnis. Aber auch dafür, daß im Bereich des Schauspiels beim Shakespeare-Zyklus die elf „Corio-lan”- und zwölf „Julius Cäsar”-Auf-führungen, ferner zwölf Termine mit der Botho-Strauß-Uraufführung „Das Gleichgewicht” sowie sieben Termine mit der Reprise von Stanislaw Wyspianskis „Wesele” noch nicht ausverkauft sind, nennt er einen plausiblen Grund: gegenüber dem Vorjahr hat Salzburgs neuer Schauspieldirektor Peter Stein das Angebot praktisch verdoppelt.

Noch nie hat es in Salzburg so viele Schauspieltermine gegeben, noch nie so viele Lesungen - etwa allein fünf Abende mit Peter Stein, der „Faust II” liest, aber auch Dantes „Göttliche Komödie” mit Bernhard Minetti, Georg Trakl mit Ulrich Mühe, ungarische Literatur mit Fritz Muliar, Leo Tolstoj mit Romuald Pekny. Vrtal: „In der Gesamtzahl bieten wir heuer 172 Veranstaltungen an. Das kommt in Rekordnähe.” Und das bedeutet, daß für den Verkauf mehr getan werden muß als in den vergangenen Jahren.

Neues Abonnementsystem

Doch das Zögern mancher Kartenkäufer hat auch andere Gründe. So hat Gerard Mortiers neues Abonnementsystem noch nicht so eingeschlagen, wie der Festspielintendant es erwartete. Denn einerseits ist so mancher Festspielfreund von früher nicht bereit, bei Preiskategorien zwischen 11.500 und 2.400 Schilling für eine Abo-Serie im Paket alles zu kaufen, was da als bunter Mix angeboten wird. Andrerseits haben auch Mortiers Versuche, neue Publikumsschichten und vor allem Jugend (sogar zu Studenten-Halbpreisaktionen) zu gewinnen, noch nicht gegriffen.

Denn gerade in der Programmierung rücken Mortier und sein Konzertplaner Hans Landesmann von alten Programmstrukturen weit ab: Ein Ligeti-Kurtag-Zyklus, das vor allem auf Avantgardekunst ausgerichtete Parallelfestival „Zeitfluß” (mit Werken von Luigi Nono, Morton Feldman, John Cage, Giacinto Scelsi und anderen) und neue Akzente auch in den großen Orchesterkonzerten und Kammermusik Veranstaltungen schrecken das alteingessenene Nobelpublikum.

Nur eine Frage der Zeit, bis sich Salzburgs Festspielpublikum regeneriert, meinen die einen; die alte Festspielherrlichkeit - mag sie auch noch so versteinert gewesen sein - ist dahin, beklagen die anderen.

Eine Antwort wird man freilich erst in ein paar Jahren geben können -wenn Mortiers Konzept der Erneuerung des Aufführungsangebots und des Publikums einigermaßen spürbar wird und sich Erfolge und Mißerfolge beim Kassenrapport zu Buche schlagen.

Im Moment läßt sich nicht einmal dort alles ablesen: Denn noch sind die Festspiele durch Rücklagen aus früheren Jahren abgesichert; mit diesen wird so manches kostspielige Projekt wie etwa Peter Steins Shakespeare-Zyklus und seine Antiken-Dramen auf der neuen Spielstätte, der Halleiner Pernerinsel, finanziell aufgefettet.

Erst wenn diese Kassa leer sein sollte, wird es in Salzburg hart auf hart gehen. Doch bis dahin sollte Mortiers „neues Publikum” bereits längst zu den Stammgästen zählen.

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