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IM STREIFLICHT

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DAS Grazer Schauspiel hat nach mancherlei ■^'Interregna, Direktorien und unklaren Verhältnissen endlich einen Direktor erhalten .—i Ludwig Andersen —, dessen Namen und dessen erweiterten Machtbefugnissen man vertrauen darf: es ist, nach langer Zeit, zu hoffen, daß die administrativen — und auch politischen — Zwei-geleisigkeiten beseitigt werden, unter denen die alte Tradition des Grazer Sprechtheaters seit Jahren so empfindlich gelitten hat.

WIR haben ein Burgtheater und Keller-“ theater, Philharmonische Konzerte und eine Musica-Viva-Reihe (die zwar gegenwärtig mehr Lücken als Veranstaltungen aufweist; immerhin wir haben sie!). Aber es fehlt uns das moderne Opernstudio für Kürzopern in kleiner Besetzung, das gegenwärtig in Italien so schöne Erfolge hat. Das Repertoire ist sehr reichhaltig, an Interessenten dürfte es nicht, fehlen. Nur anfangen müßte halt jemand damit. Dje großen OPetnhäuser können . nämlich nicht Pflegestätte dieses Genres sein, auch wenn sie wollten. Ein, zwei Einakterabende im Spielplan, mehr ist nicht zu erwarten. Für das Opernstudio aber gäbe es „Schlager“ zu entdecken, die — wenn wir uns nicht sehr täuschen — wochenlang en suite gespielt werden könnten.

DIE Schüler der Akademie am Schillerplatz halten alljährlich ein Gschnasfest ab, das sich unter den Fäschirigfeiernden schon einer gewissen Berühmtheit erfreut, dessen Rein-erträgnis — so vorhanden — aber dem Unterstützungsfonds der Studenten zufließt. Heuet hat das Unterrichtsministerium seine Abhaltung verboten; warum ist nicht ganz klar, offenbar war man aber am Minoritenplatz der Meinung, dsS es bei dem Fest ein w^nig lebhafter hergehe, ;ils dies auf akademischem Boden sonst ziemlich sei. Natürlich protestierten die Studenten gegen diesen Bescheid und —'.auf Grund früherer Ereignisse könnte man auch hier sagen: natürlich — schlössen sich die Professoren ihren Schülern in diesem Protest an. Beide berufen sich auf die Hochschulautonomie und meinen, in dem Verbot des Festes — das sie unter allen Umständen zu feiern gedenken — einen Eingriff in ihre Rechte zu erblicken. — Nun, es sollte hier doch zu einem Vergleich kommen können: etwa so, daß das Unterrichtsministerium dem Fasching gibt, was des Faschings ist — die Schüler aber ein Versprechen, ihrem Vergnügen ein wenig die Zügel anzulegen.

VERSCHIEDENE Anzeichen lassen darauf schließen, daß das unglückselige Projekt eines Oesterreichischen Nationalmuseums — oder wie immer man das nennen will — weitere Fortschritte macht. Schade; wir meinten schön, daß dieses Gedankenkind eines etwas romantischen Patriotismus in den sieben Jahren, in denen man nichts mehr davon hörte, eines sanften und unbeachteten Todes gestorben wäre. Nun, da dem also nicht so ist, scheint es uns doch, als ob es in jedem Falle einer erneuten und sachlicheren Diskussion überantwortet werden müßte. Es wirft zu viele Fragen auf: Wie, man will aus den Ensembles der'großen Museen alles herausreißen, was österreichischer Provenienz ist und das in einem eigenen Museum zusammenfassen? Aber die europäische Gesinnung ist doch eh und je das beste Teil der österreichischen Kunst gewesen. Söll man das nicht sehr ernsthaft bedenken? Und ist es nicht so, daß man Gefahr läuft, das, was man aus den großen Museum entführt, in jenes Getto zu sperren, in das man auch die Kunst der Neueren verdammt?

VAUM ist es um die „größte Bilderfälscher-affäre des zwanzigsten Jahrhunderts“ — nach dtfrii Tode ihre's Urhebers Jan van Meegeren — etwas stiller geworden, erhebt sich viel Lärm um eine noch größere Kunst-fälscherei: ein Restaurator norddeutscher Denk-mälpfkgestellen — Lothar Malskat sein Name—-erklärte und will beweisen, daß die Während des Krieges aufgedeckten Freskenzyklen in der Lübecker Marienkirche und im Dom zu Schleswig durchaus nicht aus dem 12. und 13. Jahrhundert stammen, sondern von ihm, gegen einen Stundenlohn von etwa einer Reichsmark und fünfzig Pfennig, ah die alten Wände gemalt und gezeichnet worden seien. Malskat ist in Haft, gegen einen Kunsthistoriker, den der Msjerd.es Einverständnisses bezichtigt, läuft ein Strafverfahren. — Nun muß man wissen, daß die „Aufdeckung“ dieser Fresken damals einen richtigen politischen „Belang“ dargestellt hat. Sie verschaffen nämlich einer gewissen, nach „rassisch&#171;&#187; Gesichtspunkten“ arbeitenden Küflstgeschichts-schreibung das. was ihr bisher gefehlt hatte: Beweise und Anschauungsmaterial. Flugs war ein neuer „nordischer Kulturkreis“ entdeckt, f<-sichtet und beschrieben, den es, wie sich nun herausstellt, offenbar rtie gegeben hat. Kein Wunder, daß sich damals auch sehr ernsthafte Kunstexperten von dieser Ueberraschung zu weitgehenden Schlüssen hinreißen ließen, kein Wunder auch, daß Muskat heute von einigen dieser Experten als Schwindler bezeichnet wird, der nur Sensation machen wolle — ganz wie das bei Meegeren der Fall wgr..,

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