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Sie ist lieber katholisch

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Auch nach der ersten Überraschung über die Konversion der Bestseller-Autorin Christa Meves von der evangelischen zur katholischen Kirche hält man sich katholischerseits mit Kommentaren zurück.

Aber deshalb nicht minder aufschlußreich sind die Hintergründe und Ursachen für den Übertritt der im niedersächsischen Uelzen arbeitenden Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche von der Evangelisch-Lutherischen Kirche zum römischen Katholizismus. Denn die 62jährige Christa Meves, Verfasserin von über sechzig Büchern mit einer Ge-

samtauflage von weit mehr als vier Millionen Exemplaren, Mitherausgeberin der in Bonn erscheinenden Wochenzeitung „Rheinischer Merkur/Christ und Welt“ und viele Jahre lang Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), diese engagierte Kämpferin für die evangelische Sache läßt sich keineswegs in allgemeine Kirchenaustrittstrends einordnen.

. Aber an ihr könnte schlaglichtartig verdeutlicht werden, weshalb — nach letzter verfügbarer Statistik — allein 1985 in der Bundesrepublik Deutschland doppelt so viele Protestanten aus ihrer Kirche ausgetreten sind als Katholiken. Zwar besucht auch nur noch jeder vierte deutsche Katholik sonntags die Messe, und die katholischen Taufen haben seit 1970 um ein Drittel abgenommen. Aber mittlerweile zeichnen sich hier wenigstens Konsolidierungen ab, auf die man im Protestantismus kaum zu hoffen wagt — trotz überfüllter Kirchentage.

Solche Veranstaltungen können weder die leeren Gotteshäuser noch das Dilemma kaschieren, in dem die evangelische Kirche in Deutschland steckt. Die Diskrepanz zwischen dem, wonach Menschen in der Kirche wirklich fragen und jenen Inhalten, die von Minderheiten zu Zentralthemen hochstilisiert werden, wird immer drastischer.

Ihre Bemühungen seien vergeblich geblieben, die evangelischlutherische Kirchenleitung zu eindeutigen Maßnahmen gegen das Eindringen einer zerstörerischen Ideologie zu bewegen, erklärte die Psychagogin auf bohrende Journalistenfragen. Es habe sie zunehmend irritiert, daß die Kirchenleitung einem „säkularisierenden Pluralismus“ und der „politischen Fernstenliebe“ den Vorrang gebe, statt die zahllosen Nöte der Nächsten in der Bundesrepublik zu begreifen und sie aus christlicher Überzeugung zu bekämpfen. Diese Antwort gibt den Schock wieder, den der 22. Deutsche Evangelische Kirchentag in Frankfurt im Juni ausgelöst hatte.

Da war die höchst kritikwürdige Apartheidpolitik Südafrikas zu einem kindischen Feindbild deutscher Banken in Geschäften mit Südafrika hochstilisiert worden. Da war das berechtigte Anliegen einer höheren Wertschätzung der Frau in der Kirche durch parteipolitisch verquollene Männerschelte diskreditiert worden, und bei einer Podiumsdiskussion hatten drei führende Lesbierinnen vor achthundert Zuhörerinnen eine Frauen-Kirche mit einer

Heiligen Geistin an der Spitze gefordert. Da griffen mehrere Anhänger des sandinistischen Regimes Nikaraguas den Informationsstand der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte tätlich an - sie befaßt sich vorwiegend mit Menschenrechtsverletzungen in Osteuropa. Da gingen die Stimmen j ener in Pf eif konzer- ten unter, die klarzumachen versuchten, daß Befreiungstheologie nichts mit einem Freibrief für Gewalt oder mit der Errichtung einer marxistischen Gesellschaftsordnung zu tun hat.

Christa Meves stellte in ihrer Erklärung für ihre Konversion fest, daß allein „die katholische Kirche und ihr Papst“ eindeutig Stellung bezögen und christliche Orientierung in ethischen Fragen gäben, „zum Beispiel angesichts der vorangetriebenen Früh-Se- xualisierung, der sich ausbreitenden Promiskuität, der Homosexualisierung und durch die entschiedene Absage an modische Häresien“.

Allein die katholische Kirche wage, den marianischen Aspekt zu betonen, „den die moderne Frau als Vorbild so nötig braucht, um dem sie fremdbestimmenden, zur Manngleichheit umpolenden und sie verkopftkrankmachenden Ansturm eines machtanmaßenden Feminismus gewachsen zu sein.“ Aus dieser Sicht konsequent äußerte die prominente Autorin auch ihre Genugtuung über den Entzug der Lehrerlaubnis für die katholische Theologin Uta Ranke-Heinemann.

Immer wieder habe sie an die evangelischen Kirchenleitungen appelliert, den „neuen, gefährlichen, destruktiven Entwicklungen“ entgegenzusteuern, erläuterte Christa Meves und nannte als eines der für sie wichtigsten Indizien die hohen Abtreibungszahlen. Die katholische Kirche trage hier ihre Sorge mit, „wäh-

rend ich in der evangelischen Kirche auf Granit biß“. Letztere Äußerung findet sich auch in den „Evangelischen Informationen“ abgedruckt - und gleich darunter die kommentierende Mitteilung, Christa Meves habe als evangelische Christin dem „glaubenskonservativen evangelikalen Flügel des Protestantismus“ angehört.

Ist es richtig, eine Gemeinschaft zu verlassen, wenn man sich in ihr nicht mehr wiederfindet? Zu welchem Zeitpunkt darf man aufgeben? Was den Schritt von Christa Meves betrifft, meinte der evangelische hannoversche Landesbischof Eduard Lohse — neben einer artigen Respektsbezeugung für die „persönliche Entscheidung“ — ein „falsches Verständnis des Evangeliums, Irrlehre oder unglaubwürdiges Verhalten man-

eher Glieder der Kirche“ könnten „kein hinreichender Anlaß sein, uns von ihr abzuwenden“. Vielmehr gelte es, „mit den Müttern und Vätern der Reformation Gott die Ehre zu geben und - gerade in schweren Zeiten — unserer Kirche die Treue zu halten“.

Darüber hinaus könnte es eintreten, daß Christa Meves den von ihr beklagten Sinnverlust und den geistigen Orientierungsschwund, der Protestieren zur Ersatzreligion erhebt, auch in Teilen der katholischen Jugend antreffen wird. Von zutiefst berechtigten Protesten ganz zu schweigen. Deren Inhalte — etwa was die Laienmitverantwortung angeht —, werden ihr spätestens im Oktober zur Weltbischofskonferenz in den Ohren klingen. Ist sie darauf vorbereitet?

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