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Süßes Problem

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Will die Bundesregierung am' Beispiel Zuckerpreis ihre harte Haltung an der Preisfront beweisen? Der hinhaltende Widerstand, der im Landwirtschaftsministerium und in der Bundesregierung gegen eine Erhöhung des Zuckerpreises geleistet wird, scheint auf den energischen Willen der Bundesregierung, jetzt an der Preisfront Ordnung machen zu wollen, hinzuweisen.

Wie andere Preise für Grundnahrungsmittel, man denke nur an den Brot- oder Milchpreis, ist der Zuk-kerpreis ein Faktor, der besonders deutlich auch dem Letztverbraucher Preissteigerungen klarmacht. Deshalb ist der mangelnde Wille der Regierung Kreisky, den Zuckerpreis zu einem Zeitpunkt zu erhöhen, zu dem die Regierung ständigen Angriffen der Oppositionsparteien wegen der Preissteigerungen ausgesetzt ist, durchaus zu verstehen. Noch dazu ist es ja nicht nur die Bundesregierung, die gegen eine Preiserhöhung Stellung nimmt, sondern auch die Arbeiterkammer leugnet ganz energisch die Notwendigkeit einer Zuckerpreiserhöhung.

Der Antrag der Zuckerindustrie ist, wie dies im entsprechenden Gesetz vorgesehen ist, beim Landwirt-schaftsministerium eingereicht worden. Zucker ist, ebenso wie andere Grundnahrungsmittel, aber auch zum Beispiel Benzin und Strom, amtlich preisgeregelt. Das heißt, der Erzeuger oder Verarbeiter muß Kalkulationen vorlegen, aus denen sich ersehen läßt, daß eine Erhöhung der

Preise notwendig ist. Erst wenn dies in der amtlichen Preiskommission des zuständigen Ressorts festgestellt worden ist, wird in einer zweiten Phase das Ausmaß der Erhöhung festgesetzt.

Dazu kommt aber noch ein kompliziertes Vorprüfungsverfahren und eine Stellungnahme der Ministerien, die die volkswirtschaftliche Vertretbarkeit einer Preiserhöhung feststellen müssen. Alles in allem ein langer Weg — doch der Gesetzgeber hat vorgesorgt, daß der Weg nicht zu lange wird: Wie bei jedem anderen Antrag an eine staatliche Behörde muß binnen sechs Monaten entschieden werden. Sollte dies nicht geschehen, so hat der Antragsteller das Recht, beim Verwaltungsgerichtshof eine Säumnisbeschwerde einzubringen — ein Weg, der trotz oftmals verzögerter Preisprüfungsverfahren nur sehr selten beschritten wird. Die steirische Elektrizitätsgesellchaft STEWEAG ist diesen Weg aber in den sechziger Jahren einmal gegangen und hat auch Recht erhalten. Aber erfahrungsgemäß versuchen die Antragsteller lieber auf Verhandlungsebene Konzessionen zu erreichen.

Die Zuckerindustrie steht gegenwärtig auf dem Standpunkt, das amtliche Preisprüfungsverfahren habe eine Verteuerung des Abgabepreises von den Fabriken für Normalkristallzucker um 60 Groschen als vertretbar ergeben. Auch die Landwirtschaft steht nach wie vor hinter dem Wunsch der Rübenbauern, mehr Geld zu erhalten. Die Arbeiterkammer steht hingegen auf dem Standpunkt, das Vorprüfungsverfahren habe ergeben, daß eine Verteuerung an sich nicht gerechtfertigt sei. Denn dort genannte Zahlen hätten Berechnungen zur Folge gehabt, die dieses Ergebnis gebracht hätten. Vor allem kritisiert man von Arbeitnehmerseite, daß die Gewinnausschüttungen seitens der Zuckerindustrie nach wie vor zu hoch sind und daß die Landwirtschaft Forderungen in der genau gleichen Höhe wie die Industrie stellt. Es sei doch einigermaßen unwahrscheinlich, argumentiert die Arbeiterkammer, daß zwei so unterschiedliche Wirtschaftspartner Erhöhungen ihrer Kosten in auf den Groschen genau gleichem Ausmaß registrieren.

Politisch brisant wurde der Zuk-kerpreis aber erst, als Bundeskanzler Dr. Kreisky in der Vollsitzung der Paritätischen Lohn- und Preiskommission am 8. März erklärte, er denke nicht daran, einer Erhöhung des Zuckerpreises zuzustimmen, da gerade die Antragsteller ihn immer der mangelnden Preisdisziplin beschuldigten. Wie erinnerlich, ließ daraufhin die Bundeskammer diese Sitzung mit der Bemerkung platzen, weder die Paritätische noch der Bundeskanzler sei für den Zuckerpreis zuständig.

Obwohl eine Woche später die Krise der Paritätischen wieder beigelegt werden konnte, ist es um den Zuckerpreis nicht mehr ruhig geworden.

Gegenwärtig hat die amtliche Preiskommission noch immer nicht entschieden und es deutet auch nichts darauf hin, daß sie dies in absehbarer Zeit tun wird. Das Vorprüfungsverfahren ist so gut wie abgeschlossen, aber Handels-, Landwirtschafts-, Finanz- und Innenminister prüfen jetzt, ob die rein rechnerisch festgestellte Notwendigkeit einer Zuckerpreiserhöhung auch für die gesamte Volkswirtschaft vertretbar ist. Wie lange die vier Minister dieses süße Problem noch wälzen werden, ist jedenfalls noch nicht abzusehen.

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