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Unbequem, unersetzlich

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Allen Ernstes - die FURCHE ist unersetzlich. Das soll weder tri-umphalistisch noch selbstgefällig gemeint sein, zum einen wie zum anderen besteht keinerlei Anlaß.

„Die Zeit voller Bedrängnisse“ läßt auch in einer Jubiläumsnummer - 40 Jahre FURCHE - keinerlei euphorisches Jubilieren zu. Für vierzig Jahre FURCHE gibt es lediglich Grund zur Dankbarkeit für ihre Gründung und ungebrochene Existenz. Alles andere muß Gewissenserforschung sein, wie mit diesem „Talent“ für Kirche und Welt, und das heißt immer in beidem für den Menschen, „gewuchert“ wird.

Soll man denn überhaupt von Bedrängnissen reden? Unweigerlich riskiert man, wenn man es tut, daß man nicht „ungestraft“ und nicht „unmißverstanden“ davonkommt.

Mit Recht hat Kardinal Franz König jüngst gesagt: „Die Rede des Papstes Johannes XXIII. gegen die Unglückspropheten behält heute ihre ganze Aktualität.“ Und kein Abstrich sei davon zu machen, daß das Konzil der Kirche genützt, sie zur Weltkirche gemacht hat und „der Geist des Konzils zu erneuern“ sei.

Solches bestimmt sicherlich die Position der FURCHE. Doch ist auch Otto Schulmeister zuzustimmen, wenn er jüngst schreibt: „... dennoch läßt immer mehr Österreicher diese Kirche kalt, und viele, die in ihr sind, frösteln“. Diese Wirklichkeitsnähe ist nicht Untergangsstimmung, sondern Realismus!

Und dieser Realeinschätzung der Lage hat sich das denkerische und mediale Bemühen der FURCHE zu stellen. Unter dieser Zeitlast ist sie nötwendig, unverzichtbar und unaustauschbar. Konzeption und Linie dieses Blattes können damit nicht einfach eine bequeme Erfolgsstraße sein - im Sinne von Marketing und Reichweiten. Sie bedeuten vielmehr Kontra-Indikationen gegen die grassierende Seuche der Boule-vardisierung, der Verflachung, ja der Trivialisierung, der auch in Österreich zahlreicher werdenden Ramschangebote.

Damit geht es, so meine ich, um einen sehr solitären Weg einer österreichischen Zeitung, und es geht primo loco um die Erarbeitung wie die Beantwortung der Fragen, was die Kirche in der Welt von heute ohne ideologische Schlagseiten zu sagen und zu tun hat, in einer Welt, in der „Heiden und Christen in einem Zeitalter der Angst“ leben, um einen Buchtitel von Eric Robertson Dodds anzuwenden.

Die FURCHE ist für eine Kirche in Schwierigkeiten, Experimenten und Problemen da. Es ist zugleich eine Kirche, die ihren Weg in die Zukunft sucht, sich von innen erneuern muß und die Einheit zu wahren hat. Ist sie doch nicht irgendeine Organisation, sondern Kirche des Erlösers Jesus Christus. Dieses Begreifen am Leben zu halten, intellektuell zu vitali-sieren und zu stärken, ist daher ihre erste und vornehmlichste Aufgabe.

Das schließt die Auseinandersetzung mit neuen Strömungen, emanzipatorischen Bewegungen und wechselnden Theologien nicht aus. Doch mit Sicherheit sollte man sich vor der raschen und einseitig ideologisch bestimmten Übernahme jedes auch noch so plausibel erscheinenden Zeitdenkens hüten.

In der Gemeinschaft der Kirche ist in erster Linie daher wiederum die Liebesfähigkeit derer, die eins sein sollen, und die Glaubensfähigkeit zu wecken.

Wie die Ungläubigen über die Kirche denken und nach ihr fragen, aber auch wie die Kirche liebevoll, aber nicht in Verhaltensunsicherheit mit den Ungläubigen umgeht, das ist ihr redaktioneller Auftrag.

Es bleibt in der Kirche mit Sicherheit kalt und frostig, wenn dem Verlust an Innerlichkeit und dem Verfall an Urteilskraft nicht auch publizistisch entgegengewirkt wird. „Ein Mann, der sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein“, schrieb einmal Sören Kierkegaard nieder. Das Wirken in die Welt hinaus, in die Politik hinein, für Gesellschaft und Kultur bedarf mehr denn je prinzipieller Reflexionen, des wesentlichen Denkens und eines Bescheid wissenden Agierens gegen die noch so verlockende Kritikbesessenheit. Das Gegenteil wäre (ist) wirkungsloser und unerheblicher Düettantismus.

Dem organisierten Katholizismus scheint weithin das komple-mentaristische Denken, das Begreifen der groben Zusammenhänge des wirklichen, weltlichen Geschehens abhanden gekommen zu sein. Auch dem gegenüber ist die FURCHE herausgefordert. Wieder ist hier Otto Schulmeister zu zitieren:

„Der Aufstand der Laien geht in Professionalismus über, Organisation und Bürokratie nehmen überhand, sich sozial fühlen, etwas für die Dritte Welt übrig zu haben, ist die Abschlagszahlung. Unter der Decke ist die Polarisierung voll im Gange, umso vehementer befallen ideologische Zersetzungsprodukte den Glauben, den das Evangelium fordert...“

Nochmals sei es gesagt: Die Position der FURCHE ist die des Zweiten Vatikanums und ihres zukunftsorientierten und befreienden Denkens. Doch der Katholizismus in Österreich wird sich aus seinen Unsicherheiten und „Nebenbeschäftigungen“ nicht befreien können, sich nicht selbst finden können, unattraktiv und polarisiert bleiben, wenn er die Freiheit der Kinder Gottes mit unzählbaren Beliebigkeiten, sehr rasch verwelkenden Einseitigkeiten und Verbissenheiten verwechselt. Die Weite und Offenheit, ja die Erneuerungskraft der Kirche setzen geradezu eine neue, geistig erhobene und redlich erarbeitete solidarische Haltung der Gläubigen, denen die Kirche am Herzen liegt, voraus. Und es kommt der Wirklichkeit sehr nahe, wenn ich behaupte, daß die

Kraft der Kirche nicht nur den „Organisierten“ am Herzen liegt, es ist die Welt, die eine solche Kirche haben will. Die Gemeinschaft derer, die die Kirche lieben und im Geist der Kirche wirken, ist allgemein gefragt.

Eine solche Gemeinschaft im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe mit einem innerkirchlichen und weltlichen Wirklichkeitsverständnis stärken zu wollen, ist apostolische Pflicht. Diese aber ist Tradition, Legitimation und die Zukunft der FURCHE.

Der Autor ist „Styria“-Generaldirektor und Herausgeber der FURCHE.

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