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Vielfalt durch Föderalisierung

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Gewachsene kulturelle Vielfalt und Eigenständigkeit kennzeichnen die regionalen Kulturräume Österreichs. Das gilt besonders für die Architektur, die im Zentrum der Bemühungen des Denkmalschutzes steht.

Tatsächlich empfinden die Kärntner, die Salzburger oder die

Vorarlberger in ihrem Nahbereich vieles als schützenswert, was aus einer zentralen und entfernten Wiener Sicht nur von geringer Bedeutung scheint. Die Länder haben in erster Linie ihre Denkmäler und erst in zweiter Linie österreichische. Es ist kein Zufall, daß die Länder zusammen für Denkmalpflege, Altstadterhaltung und Ortsbildpflege wesentlich mehr Mittel aufwenden als der Bund. Vorarlberg hat beispielsweise im vergangenen Jahr für Denkmalpflege fast 29 Millionen Schilling aufgebracht, der Bund hingegen nicht ganz sechs Millionen Schilling.

Die kulturelle Vielfalt Österreichs muß durch infrastrukturelle Vorkehrungen wie eine adäquate staatliche Kompetenzverteilung geschützt werden. Denn nichts ist der Kultur abträglicher als Einheitslösungen. Diese Forderung hat gerade auch angesichts der Bestrebungen nach Aufnahme in die EG besondere Aktualität. In einem großen Wirtschaftsraum wie dem der EG sind kulturelle Eigenheiten kleiner Regionen besonders bedroht. Die Stärkung der Kulturhoheit der Länder wäre ein bedeutsames Gegengewicht zu zahlreichen vereinheitlichenden Tendenzen.

Die klassischen Bundesstaaten bieten die Voraussetzungen, um eine eigenständige kulturelle Entwicklung ihrer Gliedstaaten zu ermöglichen: Dort zählen die kulturellen Angelegenheiten — etwa im Gegensatz zu außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen und zivilrechtlichen - zu den typischen Landeszuständigkeiten. Im Gegensatz dazu sind in, Österreich die Länder von der Staatsaufgabe in kulturellen Belangen ausgeschlossen.

Bestrebungen, diesen unbefriedigenden Zustand zu ändern, gibt es schon lange. So verlangt beispielsweise das in der Vorarlberger Volksabstimmung vom 15. Juni 1980 mit überwältigender Mehrheit angenommene „10-Punkte-Programm zur Stärkung der Stellung des Landes (der Länder) und der Gemeinden im Rahmen des österreichischen Bundesstaates“ insbesondere auch in den Angelegenheiten des Denkmalschutzes eine Stärkung der Mitbestimmungsrechte des Landes. Dies nicht nur, um die Verhältnisse im Land besser berücksichtigen zu können und die Staatstätigkeit möglichst kostengünstig zu gestalten, sondern auch, um „die kulturelle Vielfalt zu gewährleisten“.

Es besteht nunmehr berechtigte Hoffnung, daß demnächst wenigstens ein kleiner Schritt in Richtung mehr Bundesstaatlichkeit beim Denkmalschutz getan wird. Im vergangenen Jahr wurden endlich die Gespräche zwischen dem Bund und den Ländern über eine äußerst bescheidene Minimalforderung der Länder aufgenommen: Der Denkmalschutz soll in die mittelbare Bundesverwaltung überführt werden. Verschiedene Reaktionen auf diese Gespräche waren für die Länder enttäuschend und unverständlich. Die vorgebrachten Schlagworte einer „totalen Verländerung des Denkmalschutzes“, einer „Pro-vinzialisierung“ und einer „Zerschlagung des Bundesdenkmalamtes“ legen aber die Vermutung nahe, daß weitgehend falsche Vorstellungen über die verfassungsrechtliche Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung bestehen.

Es wurde übersehen, daß es weiterhin nur ein österreichweites Denkmalschutzgesetz geben und daß der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung weiterhin oberste Instanz in der Vollziehung des Denkmalschutzes sein wird. Die Länder haben auch klargestellt, daß das Bundesdenkmalamt erhalten bleiben soll: Es hätte weiterhin denkmalpflegerische Aufgaben wahrzunehmen und die Funktion einer sachverständigen Dienststelle auszuüben. Oder anders ausgedrückt: Die Länder möchten wenigstens in der Form der weisungsgebundenen Vollziehung den Denkmalschutz rechtlich mittragen. Auf Landesebene soll es für den Denkmalschutz keine eigenen Bundesbehörden mehr geben. Sondern der Denkmalschutz soll — wie die meisten Bundesangelegenheiten - organisatorisch in die Landesverwaltung eingebunden werden.

Die Erfüllung der Forderung • wäre nicht nur ein - wenn auch sehr kleiner — Schritt zur Stärkung der angesprochenen kulturellen Vielfalt, sondern entspräche auch einer Verwaltungsvereinfachung und wäre eine erforderliche Vorkehrung für eine engere Kooperation zwischen den Behörden des Denkmalschutzes und den Bau-, Raumplanungsund Naturschutzbehörden.

Der Autor ist Kulturlandesrat von Vorarlberg.

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