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Von der Allmacht des Fernsehens

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Erst kürzlich mit vier „Oscars“ ausgezeichnet, präsentiert sich uns erfreulich rasch der amerikanische Streifen „Network". Sein Schöpfer Sidney Lumet gehört seit seinem großartigen Erstling „Die zwölf Geschworenen“ (1957) zu den internationalen Spitzenregisseuren, hat in seinen Arbeiten nie das Niveau gehobener Unterhaltung unterschritten und kann etliche Spitzenfilme für sich buchen.

Lumets faszinierendes Thema, das Paddy Chayefsky, seit „Marty“ (1955) einer der führenden amerikanischen Filmautoren, in die Form eines ebenso intelligenten wie packenden Drehbuchs kleidet, ist die gigantische Macht des Fernsehens. Hiebei geht er natürlich von der Situation in seinem Land aus, wo zahlreiche Fernsehsender in erbitterter Konkurrenz zueinander stehen und der Kampf um Einschaltquoten und Programmanteile mit allen denkbaren Mitteln ausgefochten wird. Mittelpunkt der Handlung ist ein vor der Entlassung stehender, weil in der Popularität gesunkener Nachrichtenkommentator, der für seine Abschiedssendung seinen Tod vor der Kamera ankündigt. Es kommt zwar nicht dazu, aber zu einer recht bitter-deftigen Bilanz der Lebenssituation von heute, welche die Einschaltziffern für die Sendung des einstigen Publikumslieblings wieder rapid hochschnellen läßt. Als „Prophet des jüngsten Tages“ erhält er nun Gelegenheit, gegen die Verlogenheit der Zeit zu Felde zu ziehen und den Zorn der amerikanischen Öffentlichkeit zu artikulieren. Als er eines Tages ein Milliardengeschäft seines Senders mit Saudiarabien aufdeckt und seine Beliebtheit wieder sinkt, sehen die Verantwortlichen der TV-Station keine andere Möglichkeit, als ihn gewaltsam aus dem Weg zu räumen. Die gedungenen Mörder einer Terroristengruppe namens „ökumenische Befreiungsarmee“ erschießen ihn während einer Sendung.

Hier erreicht der Film die Zuspitzung einer möglichen Realität bis an den Rand einer dämonischen Fiktion. Seine einzige Schwäche liegt wohl darin, daß er mitunter extrem schwarz zeichnet und im Dialog zu sehr mit „Statements“ arbeitet. Anderseits legt er überzeugend die skrupellose Machtpolitik bloß, die in einem ganz auf Show-Business ausgerichteten Fernsehen, das nicht mit der Wahrheit, sondern mit Illusionen handelt, gang und gäbe ist. Am erschreckendsten wohl in der Figur einer TV-Redakteurin, die den Weg nach oben über Leichen geht und selbst beim Liebesspiel noch von Einschaltziffern und persönlichem Erfolg spricht. Riskant, aber auch noch plausibel ist die Verschmelzung von Fernsehallmacht mit modernem Terrorismus und zweifelhaften Monstergeschäften.

Lumet hat diesen Film mit der Besessenheit eines von seiner Mission überzeugten Künstlers in Szene gesetzt, der vielleicht zu viel gewollt und daher nicht alles bewältigt hat. Spitzenklasse erreicht sein Film zweifellos in kameratechnischer und schauspielerischer Hinsicht. Peter Finch, der im Jänner dieses Jahres verstorbene Engländer, wurde ebenso mit dem „Oscar“ ausgezeichnet wie die Amerikanerin Faye Dunaway, welche zwar die beste Leistung ihrer Karriere bietet, aber mapirierter wirkt als ihr Partner. Großartig William Holden als ein Fernseh- mann, der nach einer beruflichen und privaten Krise geläutert in die Realität seiner Familie zurückfindet, sowie Robert Duvall als eiskaltes Monstrum an der Spitze eines TV-Betriebes.

Ein Film, der für uns glücklicherweise noch nicht bittere Wirklichkeit ist, aber als alarmierende Vision einer möglichen Entwicklung seine Faszinationskraft besitzt.

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