6795591-1971_09_07.jpg
Digital In Arbeit

Weiße Westen?

Werbung
Werbung
Werbung

Der EHrektor der Schweizer Caritas-zentrale in Luzem, Peter Kuhn, ist suspendiert worden. Gleichzeifcig beantragte ein außenstehender Rechtsanwalt eine Strafuntersudnung. Das sind die Folgen eines Schreibens, das sieben Schweizer Kathollken an die Bischöfe richteten. Darin heißt es einleitend wörtlich: „Unter der Leitung von Direktor Kuhn ist dieses Hilfewei* in eine katastrophale finianzielle Lage geraten; ohne systematische Zweckentfremdung von Spendengeldem wäre die Caritas in den letzten Jahren bankroitt gegangen."

Der Skandal um die Caritas ist nidit ein gewöhnlicher Geschäftsskandal, ‘ und selbst die Interpellanten betonten: „Wenn nur ein Teil der erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprechen sollte, dann sind wir der Meinung, daß die katholische Kirche der deutschen Schweiz durch die Schweizer Caritaszentrale in der wesenitlichen Aulgabe der Hilfe für den notleidenden Mitbruder unglaubwürdig geworden ist." Die Vorwürfe lassen sich in einige wesentliche Punkte zusiammenfassen: Die Gemeinkostenanteile an den Sammelergebnissen hätten zwischen 15 und 50 Prozent geschwankt, seien also übermäßig hoch gewesen. Bs seien Gelder der Inlandhilfe zugeführt worden, die eigentlich für eine Katastroi)hen- oder KriegsiyUe im Ausland gesammelt worden seien. Der Direktor habe sein Salär eigenmächtig auf 3300 Franken im Monat erhöht und selbstherrlich einen Dienstwagen angeschafft. Allein 1969 habe Kuhn einer Werbeagentur Honorare von 60.000 Franken ausbezahlt.

Femer sollen Fenster im Wert von einer Viertelmillion Schweizer Franken, ursprünglich für Betfilehem bestimmt, seit Jahren eingelagert sein, wofür jährlich 10.000 Franken an Gebühren zu entrichten seien. Direktor Kuhn habe die Geschäftsverbindung mit einem Architekten aufgenommen, gegen den ein Prozeß wegen

Betruges laufe. In einer Direktoriumssitzung habe er beantragt, dem Papst 300.000 Franken aus dem Fonds der Katastrophengelder für Ostpakistan zu überweisen. Das wären einige Proben aus dem reichhaltigen Katalog, und es ist selbstverständlich, daß die Öffentlichkeit beunmhigt reagierte. Die Schiadenfreude, mit der Vertreter anderer Hiilfsonganasationen auf den „Fall Caritas" blicken, wird überdeckt durch den gemeinsamen Schaden: die Spendefreudigkeit des Volkes hat seit Bekanntwerden dieser Unstimmigkeiten schlagartig abgenommen.

Es ist auch bezeichnend, daß einzelne Sprecher der „Konkurrenz" Direktor Kuhn gegen den Vorwurf, er habe noch Hilfsgüter für Biafra auf Lager, energisch in Schutz genommen haben. Der Grund ist einfach: auch das Rote Kreuz selbst verfügt noch über solche Bestände und erklärt sie mit dem Hinweis, die Not in Biafra und Nigeria sei noch nicht gelindert und vielledcht stünden doch in absehbarer Zeit Tranisportmittel zur Verfügung, um die Hufe den Bedürftigen zukommen zu lassen. Das Beispiel illustriert, wie sehr alle diese Entscheide vom Ermessen der Verantwortlichen abhängen. Die Schweizer Caritas isrt nicht zum erstenmal ins Zwielicht geraten. Schon in der Nachkriegszeit wurden ihr — nicht immer zu Unrecht — Machinationen vorgeworfen, die nicht ganz komekit waren, AucJi bei ihrer Aktivität in Österreich’ lief nicht immer alles so, daß sämtliche Westen weiß geblieben wären. Sehr oft lag es daran, daß sich zwielichtige Elemente gern an Wohltätig-keitsorganisaitionen aus Profitgier in der Erkenntnis heranmachen, daß eben der Dringlichkeit wegen nicht immer alles ‘gründlich genug überprüft werden kann. Und oft — und dies war in der Vergangenheit so und scheint sich in der Gegenwart nddit wesentlich geändert zu haben — ist eine gewiisse Eitelkeit des Oaritas-verantwortlichen die Ursache von Mißgeschicken.

Wie weit solche menschliche Schwächen ausredchen, die ganze Organisation zu diffamieren, ist eine andere Frage. Sicher haben dde „Ankläger" mit ihrem Schritt in da« Öffentlichkeit nur ehrenwerte Ziele angepeilt. Ob sie darüber hdnauisgeschcjssen haben, steht auf einem anderen Blatt.

Ein Gutes hat der ganze Fall: Die Schweizer Hilfsorganisationen bemühen Sich seither energisch, ihr eigenes Haus eventuell noch -vor neu-

igierigen Indiskretionen in Ordnung zu bringen und fordern verschärfte Kontrollen. ‘Vdelledcht geht es Ihnen dat>ed mehr darum, auf diesem Weg das schwindende Vertrauen der „p. p. Spender" wieder zu gewinnen. Daß Kontrolle über eine Katastrophenhilfe immer fragwürdig ist, wissen auch sie. Es bleibt also die Forderung, die Veranitwortüichen noch besser auszuwählen und noch Fähigere auf solche Posten au stellen. Natüriich heißt das, daß bessere Löhne bezahlt •werden müssen, doch würde sich dieser M^raufwand, gemessen an den möglichen Veriusten durch Unfähigkeit, bezahlt machen. Im Interesse der Spender und nicht zuletzt der Hilfsbedürftigen selbst sollten die KiWsorgandsationien sich endlich von ihrem Konkurrenzdenken befreien. Die Erfolgszahlen über gosammelte Gelder sagen doch eigentlich wenig oder nichts. Ausschlaggebend ist allein die Hilfe, die geleistet werden konnte. Jene aber, denen sie zuteil wird, achten weit weniger auf die „Etikette", als die Jahresberichte wahrhaben wollen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung