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Zur Lage der Schrecklichen und der Erschreckten

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Am liebsten würde ich den mir hier zur Verfügung stehenden „Rand” diesmal unbeschrieben lassen. Zu viel Verschiedenes und Gegensätzliches fallt mir - wie wohl den meisten engagierten Christen - unter dem Schlag- Wort „Terrorismus” ein. Ich will darum heute das Wort beim Wort nehmen und wirklich nur „Randbemerkungen” hinschreiben.

„Jetzt endlich werden die Terrorverbrecher gejagt, wie sie es verdienen. In jedes Loch, in das diese Ratten kriechen könnten, wird Feuer geworfen.” - Das war keine Randbemerkung von mir, sondern Zitat aus einer österreichischen Zeitung.

„Wir sagen, natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch,… und natürlich kann geschossen werden.” - Wieder keine Randbemerkung, natürlich, von mir, sondern so formulierte Ulrike Mein- hof 1970.

Ratten oder Schweine, jedenfalls keine Menschen (mehr): das scheint mir entscheidend und oft geradezu notwendige Voraussetzung dafür zu sein, daß der Mensch gegen den Menschen die Waffe zu erheben vermag, und sei es auch in Verteidigung von menschlichem Leben.

Es ist offenbar alles andere denn eine Kleinigkeit, die Widerstände der Menschlichkeit in sich selber zu überwinden, und sei es auch im Fall des feigen Geiselmordes. Dazu bedarf es nicht zuletzt der sprachlichen Vor-Be- reitung.

Ich weigere mich jedenfalls gleichermaßen, an die Ratte wie an das Schwein zu glauben. Und ich stimme Leszek Kolakowski zu, wenn er es mit der kürzlich von ihm zitierten jesuitischen Philosophie hält, nach der niemand auf Erden absolut und hoffnungslos verdorben sei.

Wenn doch nur, was Jesus gesagt und getan hat (und von den Seinen erwartet?) nicht so weit entfernt wäre von den Realitäten und Nezessitäten unseres Lebens und Zusammenlebens!

„Ich aber sage euch”, lese ich in der Bergpredigt, „daß ihr dem Bösen nicht widerstehen sollt; sondern wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem ..usf. Ist das wirklich utopischer als die andere Antithese vom begehrlichen Blick?

Und weiter: „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für eure Verfolger..

Oder wie Paulus die Magna Charta des Christlichen ausdrückt: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege du das Böse durch das Gute” (Rö 12, 21).

„Wäre es von Nutzen, so würden Wir Unsere Person für die Befreiung der Geiseln anbieten”. Papst Paul VI. hat damit das Unfaßliche und Unvorstellbare ausgesprochen, wie es mir als Christen so ganz anders selbstverständlich vorkommt bei dem, der sich bewußt den Händen der Sünder überlieferte, um - nicht für Gerechte, noch für das Gute, sondern - für Sünder zu sterben (Rö 5, 7f)…

Und zugleich die neugierige Empörung um Gangster und Geiseln, die mir jetzt wieder von den Medien geweckt und befriedigt wird! Ich bekenne, daß ich der Versuchung erliege zu lesen, was in diesem Zusammenhang des Schreckens so fleißig zusammengeschrieben wird: Die Kriegslist des Ben Wisch zum Beispiel und: Ich war eine Geisel im Lufthansa-Jet.

Vater, vergib ihnen; denn sie wiss- sen nicht, was sie tun! — Wenn die damals auch den Anführer des Lebens (Apg 3,15) nicht erkannten, so wußten sie doch, daß sie einen Unschuldigen töteten. Und trotzdem konnte der Prediger des Evangeliums ihnen Umkehr und Vergebung als Frucht dieses von ihnen verschuldeten Todes anbieten … Sie waren weder Ratten noch Krebsgeschwür, sondern erbärmliche Menschen, Brüder (Apg 3, 17).

Wenn sie nur meine Feinde wären, die kaltschnäuzigen und kaltblütigen Killer (wie tödlich doch die Sprache des Gerechten sein kann!), vielleicht könnte ich sie dann eher lieben; habe ich aber ein Recht dazu, wenn sie doch mit ihrem Haß und ihrer Vernichtungswut andere, mir unbekannte, unschuldige Menschen verfolgen (einer Vernichtungs wut freilich, mit der sie - auch? vor allem? - gegen sich selbst wüten…)?

„Nein zur Gewalt- Ja zum Frieden.” Unter dieses Motto stellt der Papst den Weltfriedenstag 1978. Der Geist des Evangeliums fordere eine verantwortliche Haltung, um Gewaltakte aufzuzeigen, sie in ihrer Ausuferung einzudämmen und ihren Ursachen nachzugehen. Auch sollten die vielfältigen Möglichkeiten einer wirklichen Gewaltlosigkeit geprüft und entwickelt werden. Die Spirale der Gewalt müßte durchbrochen werden.

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